Mittwoch, 19. September 2012

Ist der Weg der radikalen Nachfolge für mich?

Christina fragt P. Klaus Einsle LC

Lieber Pater!

Ich bin gerade auf diese Seiten gestossen  und habe spontan beschlossen, einfach zu schreiben, weil ich im Moment nicht mehr weiter weiß und das Gefühl habe, dass mir jemand ein bisschen auf meinem Weg helfen muss, um nicht am Stand stehen zu bleiben. Vielleicht haben sie ein bisschen Zeit, um mein Anliegen zu lesen.

Ich hab mal wieder nachgedacht, ob dieser Weg der radikalen Nachfolge Jesu in einem Orden wirklich für mich bestimmt ist. ICH muss es beantworten/entscheiden können, Gott legt's mir ins Herz. Irgendwie habe ich immer einen Schmerz im Herzen, ein Seufzen, ich bin zu Tränen gerührt und total bewegt, schließe die Augen und denke "Herr willst du das wirklich ... warum ich?" ... Das kann nicht sein, du meinst nicht mich" Und im selben Moment der Gedanke, ich kann doch das, was mein Herz mir sagt, nicht verleugnen. Warum ist das alles mit soviel Sehnsucht und gleichzeitig Wehmut verbunden? Es ist wie ein Warten und gleichzeitig Angst zu haben, Zeit zu verlieren. Dann denk ich wieder, es hat alles seine Zeit, also warum etwas überstürzen?

Ich bin mir innerlich so sicher, und weiß, wo ich in einigen Jahren sein werde, sein möchte, so Gott mich da auch weiterhin hinführt. Ich war nie ein Mensch großer Entscheidungen. Ja, für mich selbst schon. Aber für andere? Da ist wieder die Frage: Dient es mir zum Selbstzweck, wenn ich diesen Schritt gehe? Oder diene ich damit Jesus? Oder diene ich den Menschen damit? Wem will ich dienen? Ich habe das Gefühl, dass es am meisten Selbstzweck ist - obwohl ich das gar nicht möchte, ich möchte mit und durch Jesus für andere da sein, ihnen all die Liebe weitergeben, die er durch mich gibt. Ich weiß von mir selbst so genau, wie sehr jeder Mensch im Innersten nach Liebe und Glücklichkeit strebt. Ich weiß heute, wo man sie findet - in Gott alleine. Aber dazu muss man die Menschen auch erst mal hinführen, denn wir sind heute so weit weg von Gott. Das tut mir sehr weh.

Immer wieder der Gedanke - ist es nicht egoistisch, ins Kloster zu gehen? Ein wohl voll unsinniger Gedanke, der nicht stimmt, aber der trotzdem da ist. Zumindest, wenn ich in einen kontemplativen Orden gehen würde (was sowieso noch sehr ungeklärt ist, weil mich beides anspricht). Ich meine es gibt nichts Schöneres, als ein Leben mit Jesus zu gehen - nur du und er, und die Liebe, in einer Gemeinschaft, dein Leben völlig für ihn und durch dein Gebet für andere zu geben. Aber man muss wohl ein sehr starkes Gebetsleben haben, um durchlässig für andere zu sein, damit die draußen, die dich nicht kennen, dich nie sehen, nicht wissen, dass da jemand im Kloster für sie betet, es auch spüren und es ihnen hilft. Denn sonst bringt das alles nichts ... oder?

Mir ist in den letzten Tagen auch eines bewusst geworden: Der Gedanke, ob ich berufen bin, kam genau von da an in mein Leben, als ich so verzweifelt in meiner Arbeitsstelle war und unbedingt den Beruf wechseln wollte, mich schon an einigen Stellen informiert hatte und auch etwas in Aussicht hatte, was ich machen wollte. Mich total verändern! Und jetzt erst merke ich, das Gott mir statt eines neuen Jobs/Berufs da etwas ganz besonderes ins Herz gelegt hat, nämlich eine Berufung. IHM zu dienen!!! Worauf warte ich noch? Es ist so schwer...

Liebe Grüße + Danke im vorhinein.

 

Liebe Christina in Christus,

vielen Dank für Deine offenen und herzlichen Worte. Man spürt, dass Gott Dich angesprochen hat und mit Dir auf dem Weg sein möchte.

Ich denke, dass ich Dich sehr gut verstehen kann, denn auch auf meinem persönlichen Weg - nach dem fragst Du ja auch - gab es eine ca. eineinhalb Jahre dauernde Zeit, in der ich hin und her gerissen war zwischen dem, was Gott von mir wollte und dem, was ich mir für mein Leben ausgemalt hatte. Der Beruf, die Familie, die Freunde..., aber auch diese Sehnsucht nach Gott, dem Unendlichen, etwas Großem.

Was Gott von Dir letztlich will, kann ich Dir jetzt nicht sagen. Aber vielleicht helfen Dir die folgenden Gedanken:

Was immer Gott für uns in seiner Liebe erdacht hat, ist für uns der schönste, erfüllendste und beste Weg, der genau unserer Persönlichkeit und unseren Talenten und Fähigkeiten entspricht. Davon müssen wir uns mehr und mehr überzeugen, denn dann wird die Angst von uns weichen, die uns manchmal befällt, wenn Gott uns ruft. Gott liebt uns und will das Beste für uns; auch wenn es manchmal nicht einfach ist.

Um den liebenden Willen Gottes für unser Leben zu erkennen, ist es wichtig, mit diesem Gott zu sprechen. Manchmal sprechen wir vielleicht zuviel mit uns allein. Warum unsere Sorgen nicht mit Gott direkt besprechen? Er kennt sie ja sowieso! Daher soll das Gebet und die Stille ein fester Bestandteil deines Lebens sein: ein kleines Morgengebet, noch bevor der Tag so richtig anfängt; ein Nachtgebet in der Stille des Abends; das ruhige Lesen und Betrachten einer Stelle des Evangeliums während des Tages, die Heilige Messe... alles das sind Momente, in denen ich Gott die Chance gebe, mein Herz zu gewinnen. Hab keine Angst vor ihm; er liebt dich.

Vielleicht kann es Dir auch helfen, ein gutes Buch über Menschen zu lesen, die berufen worden und damit glücklich geworden sind. Da gibt es viele. Eines, was mir gerade einfällt, könnte z.B. sein: "Wen(n) Gott ruft" aus dem MM-Verlag, Aachen.

Schließlich ist es wichtig, auf dem Weg der Berufungssuche und -entscheidung jemanden an seiner Seite zu wissen, der uns führt, fordert und fördert. Wir nennen das einen geistlichen Leiter oder geistlichen Begleiter. Das ist besonders wichtig, da wir oft die Stimme unseres Eigenwillens und die Gottes nicht so leicht unterscheiden können, oder wollen. Da kann uns jemand von "außen" vielleicht sogar manchmal besser beurteilen. Und "Berufung" bedeute ja immer, dass ich mich nicht selber rufe, sondern ein anderer, in meinem Innern, ein Gott, der mich kennt und liebt. Aber diesen Ruf hören und verstehen, da kann jemand mit Erfahrung sehr hilfreich sein.

Wenn Du mir sagen möchtest, wo Du lebst (Adresse und Telefon), kann ich versuchen, Dich mit einem geistlichen Leiter (meistens ein Priester) in Verbindung zu setzen, der Dir hilft, mit Dir spricht und sich gemeinsam mit Dir auf den Weg begibt.

Liebe Christina, eines ist sicher: wenn Du für Gott offen bist, wird er Dich auf Wegen führen, die sehr erfüllend und oft auch abenteuerlich sind. Sag ihm nur, dass Du seinen Willen tun möchtest und lege alle Sorgen, Ängste oder Unsicherheiten offen vor ihn hin. Den Rest wird er dann tun. Denke immer daran und freue Dich an dieser Wahrheit: Gott liebt Dich, ganz persönlich und konkret.

Ich begleite Dich mit meinem Gebet. In der Erwartung Deiner Antwort bleibe ich in Christus,

P. Klaus Einsle LC

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    Christina fragt P. Klaus Einsle LC

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