Freitag, 26. Juli 2013

Gott lässt sich von uns berühren und berührt uns

Seit Menschengedenken steigt aus der Tiefe so vieler Seelen die Klage auf und schreit verborgen oder ganz offen gen Himmel: „Wo ist er denn, dieser Gott?“ So viele suchen ihn oder suchen ihn schon nicht mehr. Sie verzweifeln an ihm oder sind einfach enttäuscht. „Gott, wo bist du, wenn ich leide, wenn ein Unglück über uns hereinbricht, wenn das Leben so schwer und fast unerträglich wird, wenn ein geliebter Mensch stirbt? Wo bist du bloß?“ Der Antworten sind viele, und viele davon sind unzureichend. Wie die eines bekennenden Atheisten in einem Leserbrief einer katholischen Zeitung: „Die Antwort ist ganz einfach: Diesen allmächtigen und gerechten Gott gibt es nicht. Gott sei Dank, ich bin Atheist.“ Oder die enttäuschte Resignation im Herzen nicht weniger, die einfach aufgeben und denken, dass sie für Gott nicht von Interesse sind. Oder aber jene, die sich ihren eigenen kleinen Gott basteln, der aber in den lebensentscheidenden Momenten auf die tiefsten Fragen keine bleibende Antwort geben kann.

Nun müssen wir aber die Antwort gar nicht zuerst dort suchen, wo Menschen sie geben, sondern wir müssen Gott selber befragen und dann auf seine Antwort hören. „Gott, wo also bist du zu finden?“ Die Antwort nach seinem Versteck in dieser Welt ruft er uns klar zu: „Ich bin überall. Aber ganz besonders in der Kirche, in den sieben Sakramenten“. In diesen sieben gehalt- und geheimnisvollen Zeichen wollte der Allmächtige, der unsagbar intelligente Designer des Universums und des Menschen, der liebende Gottesgeist, für uns berührbar sein, uns berühren.

Was sind die Sakramente? Woher kommen sie? Was bewirken sie? Wie wird Gott dort fassbar?

Wir wollen uns von einer klassischen Definition führen lassen: „Sakramente sind sichtbare Zeichen, die uns wirksame Gnade verleihen, von Christus eingesetzt und der Kirche anvertraut.“

Die sieben Sakramente sind sieben Arten des Wirkens Gottes, das er in Christus begonnen hat und durch den Heiligen Geist fortführt: die Taufe, die Versöhnung (Beichte), die Eucharistie (Kommunion), die Firmung, die Ehe, die Priesterweihe und die Krankensalbung. Was Gott in jedem einzelnen Sakrament bewirkt, das werden wir uns jeweils später konkret ansehen. Bis jetzt bleibt festzuhalten: Die Sakramente sind Christus selbst (also Gott selbst), der in der konkreten Zeit in der Seele der Menschen wirkt. Augustinus sagt: „Wenn einer tauft, dann tauft Christus selbst.“ In den Sakramenten ist Christus da und wirkt durch sie im Menschen.

Etwas anders gesagt: Gott schenkt uns in den Sakramenten Gnade. Und Gnade ist, so erklärten wir im vorigen Kapitel, sein liebendes Herabneigen zu uns Menschen, durch das er uns fähig macht, wieder in eine wachsende Beziehung zu ihm, unserem Schöpfer, einzutreten und innerlich von der Erbsünde und ihren Folgen geheilt zu werden. In den Sakramenten neigt sich Gott also zu uns herab, um uns innerlich zu heilen und diese Beziehung zu ihm zu stärken. Sie sind der Ort schlechthin, wo wir die größtmögliche Gnade finden können, wo Gott sich verborgen hält. Wer also Gott suchen möchte, der suche ihn dort, wo er gefunden werden will: vor allem in den Sakramenten.

Bei vielen, die bereits die Sakramente kennen und mehr oder weniger regelmäßig empfangen, wird vielleicht nun eine Frage aufkommen: „Wenn Gott wirklich in den Sakramenten da ist und wirkt, warum bewirkt er dann oft so wenig; in uns, in den anderen.“ Denn es ist ja doch offensichtlich, dass zum Beispiel viele junge Menschen das Sakrament der Firmung empfangen (in dem Gott angeblich wirken soll), sich aber in ihnen eigentlich gar nichts tut. Sie sind nachher nicht besser als vorher, sind keine eifrigeren Kirchgänger, und schließen dann sogar oft überhaupt mit der Kirche ab. Ähnliches könnte man über manche Menschen sagen, die die Beichte empfangen und dann doch wieder dieselben Sünden begehen, oder die Kommunion empfangen oder das Sakrament der Ehe usw. und Gott doch wenig Raum im Leben lassen.

Die Frage ist berechtigt. Und wichtig. Sie wurde schon immer gestellt und auf dem Konzil von Trient (1545-1563), einer Zusammenkunft von Bischöfen, beantwortet. Nach Erwägung jahrhundertelanger Erfahrung, gemeinsamen Nachdenkens und Betens definiert das Konzil: Die Sakramente wirken ex opere operato, non ponentibus obicem. Es lohnt sich, dieser lateinischen Antwort etwas nachzugehen.

Die Sakramente wirken ex opere operato (übersetzt heißt das: durch das vollzogene Werk, oder: aus dem vollzogenen Werk); das bedeutet, dass in jedem Sakrament, das richtig vollzogen wird, Gott unfehlbar und wirklich präsent wird und wirkt, unabhängig zum Beispiel davon, wie gut der Spender des Sakramentes ist. Wir können also sagen: in einem Sakrament kommt von Gottes Seite 100% der Gnade, die dieses Sakrament schenkt (welche Gnade das jeweils ist, dazu in späteren Kapiteln). Gott also wirkt und tritt in das Leben des jeweiligen Menschen ein. Aber dass von Gott 100% Gnade kommt, bedeutet nicht notwendigerweise, dass auch im Menschen diese 100% Wirkung anzutreffen sind. Denn der zweite Teilsatz der Aussage über die Wirkung der Sakramente besagt: non ponentibus obicem (übersetzt: [in] denen, die kein Hindernis entgegenstellen). Die Gnade von Gottes Seite kann also nur dann wirken, wenn derjenige, der sie empfängt, auch mit dieser Gnade mitwirkt, oder - negativ gesagt - ihr kein Hindernis in den Weg stellt.

Hindernisse gibt es genug. Und darum kann es vorkommen, dass Gott sich zu uns herabneigt, wir aber durchaus manchmal fast blind an ihm vorbeigehen oder seine Gaben der inneren Kräftigung, Heilung, Ordnung nicht annehmen. Es genügt, beim Empfang eines Sakramentes innerlich nicht gut darauf vorbereitet zu sein, um Gottes Moment zu „verpassen“. Oder im Augenblick der Spendung eines Sakramentes mit anderen Gedanken und Wünschen beschäftigt zu sein. Allein das genügt, um aus den 100% Gottes nur noch 30% im Menschen zu machen. Oder vielleicht sogar nur 5%.

Diese Tatsache gründet auf der wunderbaren, nie zurückgenommenen Entscheidung Gottes am Anfang der Menschheitsgeschichte, uns die Gabe der Freiheit zu schenken. Er wollte und will, dass wir - jeden Tag - ganz frei entscheiden, ob wir ihn einlassen oder nicht. Das gilt auch für die Gnaden, die wir von ihm in den Sakramenten empfangen: er will, dass wir sie frei suchen und uns - jedes Mal neu! – frei dafür entscheiden. Routine hat da keinen Platz, oder aber sie raubt die Fruchtbarkeit der Gnade in unseren Seelen.

Eine abschließende Frage: Neigt Gott sich uns zu - oder anders gesagt: können wir Gnade empfangen - nur in den Sakramenten? Nein. Gottes Gnade wirkt nicht ausschließlich durch die Sakramente. Sie ist nicht an die Sakramente gebunden, sondern frei. Aber der sichere Ort, die intensivste Art, die von Gott selber verbürgte Quelle aller Gnaden, sind die sieben! Es ist schon beeindruckend: Alle großen Heiligen, die Frauen und Männer Gottes in dieser Welt, waren Menschen, die aus der Heiligen Schrift und den Sakramenten gelebt haben. Auch sie haben gerufen: Gott, wo bist du? Sie haben die Antwort dieses Gottes ernst genommen und ihn dort gesucht, wo er sich bevorzugt finden lassen will: in den Sakramenten. Dort neigt sich Gott in diese unsere Welt herein, dort bleibt er, trotz aller Wechsel und Veränderungen von Umständen, Zeiten und Orten immer fassbar und berührt uns.

 


Dies ist das elfte Kapitel aus dem Buch "Einmal Gott und zurück" von P. Klaus Einsle. Dieses Buch basiert auf einer Serie von Artikeln in unserem L-Magazin.

Additional Info

  • Datum: Nein
  • Druck / PDF: Ja

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