Freitag, 26. Juli 2013

Erben ohne Erbschaftssteuer

Gottes Bundesschluss im Sakrament der Taufe

Früher war für mich nicht klar, wovon Gott uns eigentlich erlösen sollte. Wo lag das Problem, für das er die Lösung, ja die „Er-Lösung“ bereitstellte? Später habe ich durch hunderte, ja tausende seelsorgliche Gespräche besser begriffen, was mit dem Menschen los ist; und dann hat auch die Antwort Gottes gepasst!

Der Mensch vernimmt tief aus dem Grund seines Innern die nagende Frage und den Zweifel des „Wozu eigentlich?“, des „Werde ich von jemandem geliebt?“ und des „Wo finde ich den inneren Frieden, den Sinn meines Lebens?“ Grund dieser inneren Unsicherheit ist die erste Sünde: wir sind von unserem tiefsten Lebenssinn entfremdet. Das Dunkle im Leben hat seine Spur hinterlassen; wir sind verletzt. Die Sünde hat uns zu Waisen gemacht. Und daher leiden wir, sind wir einsam, irgendwie innerlich arm. Die Folgen von Erbsünde und persönlicher Schuld.

Nur wenn wir diesen Zustand erkennen, benennen und anerkennen, macht Gottes Antwort Sinn. Aber wer hilft uns nun heraus aus dieser Not, dieser Einsamkeit und inneren Zerfahrenheit mit all den seelischen und zwischenmenschlichen, ja gesellschaftlichen Konsequenzen?

Das erste, was Gott tut – und vielleicht auch das Wunderbarste und Erstaunlichste – ist: er geht uns innerlich nach! Wir, die Kleinen und fast Unbedeutenden, haben ihn vom Herzen her verlassen, doch er, der Allmächtige und einzig Notwendige, geht uns hinterher. So ist die Liebe; seine Liebe zu dir und mir, zu uns allen. Er macht uns ein Angebot: „Ich habe Mitleid mit deinem Leid. Wenn du willst, erneuern wir das Band zwischen uns, das du durch die Sünde zerschnitten hast. Ich binde uns wieder zusammen, ich lege deine Seele wieder an die innere Lebensader. Ich reinige Dein Herz. Ich erneuere Deine verwundete Seele und stelle unsere Beziehung wieder her. Wenn du willst...“

Und Gott setzt das Sakrament der „Taufe“ ein: „Geht hinaus... tauft alle auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (vgl. Mt 28,19). Die Taufe ist ein schönes Fest. Zuallererst jedoch ist die Taufe das Wirken Gottes in einem Menschen. Ein Sakrament, ein äußeres Zeichen, das innere Beziehung mit dem Schöpfer schenkt.

Lassen wir uns von den äußeren Zeichen führen, um die innere Gnade aufzuspüren. In der frühen Kirche waren manche äußeren Zeichen zuweilen ausgeprägter. Wir wollen diese in groben Zügen umreißen, um dann von dort die Wirkung der Taufe zu erfassen.

Damals wurde vor allem in der Osternacht getauft: die Täuflinge, die eine lange Zeit auf diesen Moment vorbereitet worden waren, versammelten sich in einem dunklen Raum mit den anderen Gläubigen zur Feier der Osternachts-Liturgie; zum Empfang des Sakramentes der Taufe legten sie ihre alten Kleider ab und stiegen mit dem ganzen Körper in ein relativ großes Wasserbecken. Dort wurden sie dreimal in das Wasser eingetaucht (das Wort „Taufe“ kommt von „Tauchen“, also „Eintauchen“) und der Priester sprach die Taufformel. Sie stiegen auf der anderen Seite des Beckens wieder aus dem Wasser, bekamen ein neues, helles Gewand angelegt, empfingen eine brennende Kerze und wurden mit dem Chrisamöl gesalbt. Dann durften sie zum ersten Mal Gott im Sakrament der Eucharistie empfangen. Auch heute finden wir diese Elemente in der Taufe, wenngleich in ihrer Ausgeprägtheit ein wenig reduziert. Was nun bezeichnen die einzelnen Schritte, wie wirkt Gott in der Seele des Täuflings?

Das alte Gewand und der dunkle Raum sind Sinnbild für das alte Leben der verwundeten Seele, die (Erb-)Sünde, das Dunkel der vier Beziehungsbrüche im Dasein der Täuflinge. Sie ziehen diese Kleidung aus; das bedeutet, sie wollen dieses von der Sünde gezeichnete Leben ablegen. Dann steigen sie in das Wasserbecken. Dort reinigt Gott die Seele von aller Sünde der Vergangenheit und macht das Herz des Menschen neu, empfänglich für die Gnade und fruchtbar für die Gaben des Geistes. Sie steigen aus dem Wasser – gereinigt – und legen ein neues, helles Gewand an: ihre Seele ist nun rein geworden und das Dunkel der Sünde ist dem Licht gewichen, das die Gegenwart Gottes in die Seele hineinträgt. Sie empfangen eine Kerze, Bild für das Licht, das Christus von nun an in ihrem „neuen“ Leben darstellt. Die Salbung mit dem Chrisam (ein königliches Salböl) deutet an, dass der Getaufte von nun an Christus, dem König, gehört, in ein neues Volk, nämlich ein königliches, hineingeboren wurde.

All diese äußeren Riten bewirken wirklich eine echte innere Veränderung! Sie sind nicht nur äußere Formeln, sondern Abbild eines inneren Geschehens. Das genau ist der Sinn der Sakramente: äußere Zeichen, die innere Gnade verleihen. Der Mensch wird also in der Taufe – auch wenn es sich um ein kleines Baby handelt – von der Erbsünde und dem daraus resultierenden seelischen Dunkel gereinigt. Gott verbindet sich mit dieser Seele von Neuem und lässt sein geistliches Licht der Wahrheit und Liebe aufleuchten. Er vergibt zudem alle begangene Schuld. Er adoptiert die getaufte Person als „sein geliebtes Kind“. Er legt in diese Seele die Samen einer neuen Beziehung, die wachsen und aufgehen können bis zur tiefsten Vertrautheit des Geschöpfs mit seinem Schöpfer... „Wenn du willst.“

Alles das legt Gott in der Taufe im Geist des Menschen an. Ob diese geistigen Keime dann auch wachsen und reifen, hängt dann von der weiteren Erziehung und/oder persönlichen Entscheidung ab, mitzuarbeiten (in jenen, die keine Hindernisse in den Weg stellen). Gott kommt und wirkt in der Taufe. Wie weit sie dann wirksam ist und Frucht bringt, das steht auf einem anderen Blatt; auf dem der persönlichen Lebensführung.

Zwei Fragen noch, die wir bei der Besprechung jedes Sakramentes stellen werden: Worin besteht der „Minimal-Ritus“ einer gültigen Taufe? Wer kann eigentlich taufen? Mit Minimalritus möchte ich nach den wesentlichsten Elementen des Sakramentes fragen, was auf keinen Fall fehlen darf (da sonst das Sakrament nicht vollzogen, also auch nicht wirksam wäre); und es gibt Beigaben. Das Allerwesentlichste der Taufe besteht aus zweierlei: die Übergießung des Täuflings mit Wasser und das gleichzeitige Sprechen der Taufformel „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Sind diese beiden Elemente vorhanden, ist eine Taufe gültig und sakramental gespendet. Das Taufkleid, die Taufkerze usw. sind hilfreiche Symbole, die das Geschehene noch deutlicher ausdrücken.

Und wer darf die Taufe spenden? Im Normalfall der Diakon oder der Priester. Im Notfall kann jeder Mensch die Taufe spenden, sogar ein ungetaufter. Nur eines muss er tun: das tun wollen, was die Kirche durch die Taufe tut, und die Taufformel richtig sprechen. Wieso alle? Vielleicht wollte Gott die Taufe so einfach wie möglich machen, damit keine äußeren Gegebenheiten diese neue Verbindung eines Menschen mit ihm verhindern kann. Daher nur Wasser und ein Mensch. Ist das nicht wunderbar? Gott will, dass alle Menschen in den Genuss der erneuerten Freundschaft mit ihm kommen; er will alle zu seinen Kindern, zu Erben seines Himmels machen; sie in dieser neuen königlichen Familie, welche die Kirche ist, willkommen heißen. Erben, die keine Erbschaftssteuer entrichten müssen!

Sollten wir nicht allen Menschen zurufen, dass Gott sie liebt, dass er sie zu seinen Freunden machen will, die mit der festen inneren Hoffnung leben, dass das ewige Glück auf sie wartet: definitiv und für immer geliebt zu werden, erwartet und begehrt zu sein, die Freude des himmlischen Vaters darzustellen? „Geht hinaus in die ganze Welt...“ Ruft den anderen zu, dass Gott die Sehnsucht ihrer Herzen stillen kann und will; dass er der gütige Vater ist, der uns alle nach Hause ruft und einlädt, das große Glück des Lebens und der Ewigkeit zu finden.

 


Dies ist das zwölfte Kapitel aus dem Buch "Einmal Gott und zurück" von P. Klaus Einsle. Dieses Buch basiert auf einer Serie von Artikeln in unserem L-Magazin.

Additional Info

  • Untertitel:

    Gottes Bundesschluss im Sakrament der Taufe

  • Datum: Nein
  • Druck / PDF: Ja

Unterthemen

    

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