Freitag, 26. Juli 2013

Zur Liebe erschaffen – aus Liebe gemacht

Der Sinn des menschlichen Lebens

Was sind eigentlich Engel? Wir haben vor unserem Auge vielleicht dieses Bild des schönen jungen Mannes, mit langem weißem Kleid und weichen Flügeln, der die Kinder beim Gang über die Brücke schützt; oder vielleicht die plauschigen Rokoko-Engelchen, die viele bayerische Wallfahrtskirchen schmücken. Beides sind Bilder, aber nicht die Wahrheit. Die Bilder sollen uns zur Wahrheit hin begleiten. Engel sind Wesen, die keinen Körper haben, sondern – so wie Gott – rein geistig sind. Sie haben weder Flügel noch dicke Babybäuchlein, sondern sind sehr mächtige und starke lichtreiche Geistwesen, die Gott dienen und in Beziehung zu ihm – und zu uns – stehen; so zum Beispiel unsere ganz persönlichen Engel, die uns schützen und positive Gedanken eingeben (Schutzengel). Der Glaube an Engel und die Erfahrung mit ihnen durchzieht die ganze Heilige Schrift und das Leben und die Kulturen aller Zeiten.

Nun wissen wir aus der Schrift, dass nicht alle diese geistigen Wesen positiv auf das Angebot Gottes zu freundschaftlicher Gemeinschaft geantwortet haben, sondern Nein zur liebenden Hingabe an Gott, und Ja zur bald ins Absolute sich steigernden Selbstliebe gesagt haben (vgl. Offb 12,9; Lk 10,18; 2 Petr 4) Einige haben dem unendlichen, guten Gott die Liebe und Dienstbereitschaft verweigert und sich bewusst und freiwillig gegen ihn gestellt. Andere sind ihm treu geblieben. Die definitive Abwendung einiger Engelwesen zeitigte logische Konsequenzen in ihnen: sie wurden böse und dunkel. Wer sich vom Leben (das Gott ist) abwendet, wird Tod. Wer sich vom Licht abwendet, wird Dunkel. Wer sich von der Liebe (Gott) abwendet, wird Hass. Wer sich von der Fülle abwendet, wird Frustration usw. So wurden die guten Engel durch eine freie Entscheidung böse und durch sie kam das Böse in die Welt.

Wie war das möglich, wenn Gott sie doch gut geschaffen hatte? Weil Gott die Liebe der Engel wollte – zu ihrem eigenen Glück. Daher hat er sie mit Freiheit beschenkt; und diese Freiheit haben sie missbraucht. Darin besteht die ewige Gefahr der Liebe: enttäuscht zu werden.

Obwohl dieses Ereignis der Abwendung einiger Engel von Gott ist in der Heiligen Schrift fest verbrieft ist, wird es heute gerne übergangen. Man muss kraftvoll betonen, dass das Christentum weder eine Religion der Angst noch in so genannten mittelalterlichen Denkweisen verhaftet ist, sondern einfach an der göttlichen Überlieferung festhält und die erfahrbare Wirklichkeit damit erklärt.

Nachdem die ersten Menschen entstanden waren, haben diese gefallenen Geistwesen sich an ihnen vergriffen. Sie wollten sich in ihrer blinden Wut an Gott rächen, konnten das aber nicht, da Gott Gott ist und die Engel nur von Gott geschaffene Wesen, also im Vergleich zu ihm ziemlich gering an Macht. So trieb sie ihre Boshaftigkeit gegen den Menschen, den Gott über alle Maßen liebt. Wir lesen in der Genesis (Gen 3) in bildhaften Worten dieses Urereignis, das so dramatische Folgen mit sich gebracht hat: Satan, einer der gefallenen Engel (versinnbildlicht durch die Schlange) hat die Menschen durch innere Einsprechung versucht; die Menschen haben der Versuchung nicht widerstanden und ließen sich vom Vertrauen zu Gott und der kindhaften Liebe zu ihm trennen. Sie wandten sich von Gott ab. Sie zweifelten, dass Gott gut ist und misstrauten seinem Willen. Auch in ihnen brachte diese erste bewusste und freiwillige Abwendung (wir nennen das Sünde) Folgen mit sich. Vierfach wurde da Beziehung verletzt: das Vertrauen zu Gott, die Offenheit zu den anderen Menschen, die Integrität der eigenen Person, und die freie Beziehung zu den Dingen dieser Welt. Die Genesis beschreibt weiter, dass dieser Beziehungsbruch, der durch freie Entscheidung des Menschen entstand, nicht bei den ersten Menschen stehen blieb. Er übertrug sich auf verborgene, aber reale Weise auf die nachkommenden Generationen: ein Erbe, eine Last, an der wir alle zu tragen haben. Wir finden uns als eine gebrochene Menschheit, die im Ringen zwischen Gut und Böse ihr Dasein wahrnimmt. Doch Gott, der auch als Enttäuschter weiterhin der Liebende bleibt, verwirft den Menschen nicht. Vielmehr wendet er sich ihm liebevoll zu und will ihn von diesem vierfachen seelischen Beziehungsbruch heilen.

Warum erzähle ich diese Urgeschichte? Weil sie wichtiges Licht über den Zustand der Menschheit im Allgemeinen, aber auch über jeden einzelnen Menschen, also auch über jeden von uns, wirft.

Der Mensch, du und ich, wir sind auf Gott hin geschaffen! In der Liebe zu Gott und von Gott finden wir unseren tiefsten und wahrsten Sinn, unsere Daseinsidentität. Die Beziehung zu Gott jedoch ist gestört durch die persönliche Schuld jedes Einzelnen aber auch durch diese tiefe seelische Wunde der „weitervererbten“ Urschuld. Gleichzeitig sind wir Schauplatz einer geistigen Auseinandersetzung. Gott steht auf unserer Seite und gibt uns alles, was wir zur Gesundung unserer Seele brauchen. Die gefallenen Engel dagegen versuchen uns Menschen, die wir aber immer in Freiheit der Versuchung widerstehen können.

Unser ganzes Leben ist ein Streben. So gelangen die einen zu den höchsten Höhen der Einheit mit Gott, zu einer tiefen inneren Freundschaft mit ihm, und somit zur schönsten Erfüllung ihrer irdischen Existenz. Andere sind zu Grausamkeiten fähig, die kein Tier jemals begehen würde. Das Leben der allermeisten jedoch spielt sich zwischen diesen beiden Extremen in unzähligen Graustufen ab; wir wollen gut sein, finden es manchmal schwer; scheitern, stehen auf, tun Gutes, fallen, unser Gewissen ermutigt uns, Gott in unserer Seele ermuntert und hilft, wir fühlen das Zerren der Versuchung, die Sehnsucht nach innerem Frieden... Der verwundete Mensch.

Aber eines ist und bleibt wahr: in der Liebe – zu Gott und den Nächsten – finden wir unsere tiefste Erfüllung. Kämpfen wir mutig für das Gute, denn der allmächtige Gott wirkt fast unmerklich in uns und kämpft mit uns!


Dies ist das vierte Kapitel aus dem Buch "Einmal Gott und zurück" von P. Klaus Einsle. Dieses Buch basiert auf einer Serie von Artikeln in unserem L-Magazin.

Additional Info

  • Untertitel:

    Der Sinn des menschlichen Lebens

  • Datum: Nein
  • Druck / PDF: Ja

Unterthemen

    

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