Von Heiligenkreuz im Wienerwald nach Mariazell. Etwas mehr als 100 Kilometer. 2.800 Höhenmeter. Zu Fuß. 24 Stunden durch-gehen-d. Luis Paoletti, er studiert an der TU Wien Software Engineering, hat den Weg „Mariazell One Way“ von „Adventure & Faith“ geschafft. Aber nicht nur dank eigener Kräfte, ist er im Interview mit Franz Schöffmann überzeugt.
Luis, was um Himmels willen bewegt einen jungen Menschen wie Dich, diesen 100-km-Marsch auf sich zu nehmen?
Luis: Beim ersten Mal 2021 war es eine Gruppe. Ich schaffte 60 Kilometer und dachte, 2022 reiße ich mich zusammen. Doch dann stieg ich als Erster bei 30 Kilometer aus. Das war schlecht, aber auch wieder gut, weil ich dann in den folgenden Pausen mithelfen konnte. Aber heuer war es ganz anders.
Was war anders?
Luis: Ich hatte mir vorgenommen, auf eigenen Füßen nach Mariazell zu kommen. Ich ging den ganzen Weg mit sehr guten Freunden von der KHG (Katholische Hochschulgemeinde, Anmerkung), Tobias und Paul. Wir ermutigten uns gegenseitig, es war eine besondere Erfahrung der Freundschaft. Besonders am Ende, als es so viele Schwierigkeiten gab. Wir gingen irrtümlich einen Umweg über einen Wald, wenn alles müde ist und schmerzt, kann jeder kleine zusätzliche Anstieg oder jede Baumwurzel zu einem Hindernis werden. Wir waren so was von fertig, sind aber schließlich doch gemeinsam ins Ziel gekommen.
So was von fertig – warum tut man sich das an?
Luis: Ich bin schon mehrmals bei der Wallfahrt der KHG mitgegangen. Die dauert vier Tage, ist körperlich leicht zu schaffen und sehr geistlich. Aber heuer wollte ich wirklich in die Basilika kommen, auf eigenen Füßen, als Opfer.
Als Opfer, wofür?
Luis: Jene, die 2021 und 2022 Mariazell One Way geschafft hatten, waren offensichtlich am Ende ihrer Kräfte. Das fand ich inspirierend, ich brauche eine Herausforderung, um sagen zu können: Ich habe ein Opfer gebracht. Ein Opfer kann ein Gebet, eine Novene oder Fasten sein. Aber die Idee, physisch etwas zu opfern, körperliche Schmerzen aufzuopfern, finde ich schön. In der Ehe zum Beispiel ist das Sich-einander-Geben, die Hingabe zentral, ich sehe das auch als eine Art Opfer.
Für wen hast Du Dich bei diesem 100-km-Marsch aufgeopfert?
Luis: Ich fragte ein paar Freunde in der KHG: Darf ich bei dieser Wallfahrt für dich beten? Hast du ein Anliegen in deinem Herzen? Die Anliegen waren so stark und brachten mich weiter, weil ich diese vor Maria in der Basilika bringen wollte. Das war dann auch das Erste, was ich in Mariazell getan habe. Andere sind zuerst noch auf einen Kaffee gegangen.
Auf dem letzten Kilometer zur Basilika haben Dich Freunde gestützt.
Luis: Nach dem gemeinsamen Foto bei der Ortstafel konnte ich mich fast nicht mehr bewegen. Jeder Schritt war so unsagbar schmerzhaft. Alles hat geschmerzt. Wenn man da die Arme auf die Schultern von Freunden legen darf, ist das physisch und psychisch eine unglaublich große Hilfe.
Wie erlebt man in diesem Zustand voller Schmerzen die abschließende hl. Messe in der Basilika?
Luis: Für mich war das eine sehr tiefe Erfahrung. Ich versuche, täglich den Rosenkranz zum Erzengel Michael zu beten. Eine der Verheißungen ist sehr schön: Wer ihn vor der Kommunion ehrt, wird bei der heiligen Messe von je einem Engel der neun Chöre begleitet. Ich hatte dann das Bild von Maria von Guadalupe vor mir, die von einem Engel getragen wird. Das war sehr emotional für mich, aber auch für alle anderen. Für Pater George war es eine ganz besondere Erfahrung, denn das war seine erste Messe, die er nur sitzend feiern konnte.
Welche Anliegen hast Du nach Mariazell getragen?
Luis: Ein Freund wollte aufgrund schwieriger Prüfungen sein Studium fast aufgegeben. Wir haben ihm gesagt: Du wirst das nicht einfach so entscheiden, ohne vorher zu beten. Ein anderer Freund hat von seiner Cousine erzählt, die seit klein auf schwer krank ist, ihr Leben ist mühsam, die Ärzte finden kein Heilmittel. Für beide habe ich sehr viel gebetet auf diesem Weg.
Hat Dir auch das geholfen, Mariazell zu erreichen?
Luis: Beim ersten Start 2021 war meine Absicht absolut falsch. Da ist es mir nur um die Challenge gegangen, weil die einfach cool ist. Beim zweiten Mal wollte ich besser sein: ´Ich schaffe das´ war ein sportlicher Ansatz. Dieses Mal habe ich zum ersten Mal bei Mariazell One Way Rosenkranz gebetet, mit Paul und Joshua nach dem kurzen Abendessen am Freitag. Nach einem kurzen Meeting vor einem neuen Abschnitt am Samstagfrüh habe ich Benni gefragt, ob wir nicht ein Morgengebet sprechen wollen. Ich durfte es leiten. Am Vormittag habe ich mit Paul den Barmherzigkeitsrosenkranz gebetet. Diesmal stand für mich der geistliche Aspekt im Vordergrund.
Mit dem geistlichen Aspekt im Vordergrund ist es ganz anders gelaufen?
Luis: Ja, genau. Ich bin nicht allein in Mariazell angekommen, sondern in der Gemeinschaft mit anderen – und mit Maria. Da gab es ein besonderes Geschehen.
Welches?
Luis: Nach etwa 20 Stunden habe ich gesehen, dass Maria wirklich mit uns ist. Ohne dieses Zeichen hätte ich es wahrscheinlich nicht geschafft. Ich legte mich in einer kurzen Pause in Annaberg, wir hatten noch 20 Kilometer vor uns, auf den Fahrersitz des Begleitautos. Die Begleiter brachten mir Wasser. Ich hatte die Füße draußen, sah nach links zu meinen Beinen hinunter. Am Boden lag eine wundertätige Medaille. Ich vermutete, dass die jemand beim Aussteigen verloren hatte. Dann kam Anna-Lena und fragte mich, ob das meine Medaille sei. Ich sagte: nein. Sie ging wieder weg. Kurz danach fragte mich Alexandra aus dem Auto daneben: Is this your miraculous medal? Als sie ´miraculous´ sagte, blickte ich nochmals auf die Medaille. Maria stand da, den Blick auf mich gerichtet, mit offenen Armen. Für mich war das ein ganz starker Moment. Ich spürte und wusste plötzlich, dass Maria mit mir ist und ich die letzten 20 Kilometer auch noch schaffen würde.
Eine tiefe Erfahrung?
Luis: Ja, und eine sehr überraschende, sehr emotionale – und immer wieder aufs Neue, wenn ich daran denke. Ein starkes Bild von Maria auf der am Boden liegenden Medaille.
Hat sich in diesen 24 Stunden der Wallfahrt etwas im Glauben verändert?
Luis: Auf jeden Fall! Die wundertätige Medaille ist für mich jetzt ein Zeichen der Liebe und auch der Hoffnung. Ich hatte lange Zeit nur wenig zu Maria gebetet. Jetzt ist es einfach so klar für mich, dass sie dabei war und mich dazu gebracht hat, den Weg zu Ende zu gehen. Deswegen ist es für mich auch nur natürlich, dass ich jetzt Maria mehr verehre.
Warum bist Du überzeugt, dass Dein Opfer anderen helfen kann?
Luis: Jesus ist das allerhöchste Beispiel dafür! Er hat sich ans Kreuz nageln lassen und ist für uns gestorben. Für uns und unsere Sünden. Darin sehe ich Weisheit, das birgt das Geheimnis Gottes in sich. Als Mensch Schmerzen und Leiden bewusst für jemand aufzuopfern, ist ein Akt der Hingabe und eine unglaublich starke Erfahrung. Das verbindet mich noch viel mehr mit jenen, für die ich gebetet habe.
Lieber Luis, danke für das Gespräch!
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