Wer kennt das Gefühl? – Dieses Jahr habe ich es ernst genommen, die Karwoche gut und tief zu durchleben, Jesus ganz aus der Nähe zu begleiten, bei ihm zu sein in seiner Passion, ihm in seinen schwersten Stunden beizustehen. Und dann kommt der Karsamstag. Jesus ist nicht mehr da. Wohin soll ich mich wenden? Was kann ich tun? Ach ja, morgen ist Ostern, da gibt es noch vieles vorzubereiten... Oh, hätte ich doch die Stille noch ein bisschen ausgehalten.
Die Stille des Karsamstags ist nicht einfach Grabesruhe oder Totenstille, die Angst macht. Jesus ist nicht einfach nur tot. Er steigt hinab in das Reich des Todes mit einer Mission. Der Vater ist weiterhin am Werk.
Es ist eine spannende Stille und was in ihr passiert, ist atemberaubend. Christus steigt in die Hölle hinab, an den Ort, wo sich jene verschanzen, die sich Gottes Macht zu entziehen suchen, die hoffen, ihr trotzen zu können, an den Ort äußerster Verlassenheit und Qual. Aber Christus steigt an diesen Ort hinab willentlich und wissentlich, um jedem eine Hand zu reichen, der ihn dort nicht zurückweist und seine Erlösung nicht verschmäht.
„Abgestiegen zu der Hölle“, schreibt Joseph Ratzinger (Meditationen zur Karwoche, Meitingen / Freising 1969, 25) „bedeutet, dass Christus das Tor der Einsamkeit durchschritten hat, dass er abgestiegen ist in den unerreichbaren, unübersteigbaren Grund unseres Verlassenseins. Es bedeutet, dass auch in der letzten Nacht, in die kein Wort mehr dringt, in der wir alle wie weinende, ausgestoßene Kinder sind, eine Stimme ist, die uns ruft, eine Hand, die uns nimmt und führt. Die unübersteigliche Einsamkeit des Menschen ist überstiegen, seitdem Er in ihr war. Die Hölle ist überwunden, seitdem die Liebe auch in die Region des Todes eingetreten ist und das Niemandsland der Einsamkeit bewohnt wird von ihm.“
In dieser Stille ergreife nun seine Hand, erhebe dich und lass dich von Ihm führen.
Frohe Ostern,
Euer P. Clemens
