Seit über einem Jahr arbeiten wir in der Ordensgemeinschaft der Legionäre Christi intensiv an der Aufarbeitung des gravierenden Fehlverhaltens unseres verstorbenen Gründers und erhalten dabei seit Juli 2009 Unterstützung und Weisung durch eine vom Papst angeordnete Apostolische Visitation. Nachdem ich für den deutschsprachigen Raum in den vergangenen Monaten dazu schon in mehreren offenen Briefen und Interviews Stellung genommen hatte, wurde anlässlich der jährlichen Versammlung der Ordensoberen nun auch eine internationale Stellungnahme veröffentlicht. Aus diesen bekannten Tatsachen weben zwei Journalisten für die Seite 3 der FAZ einen „neuen Skandal“, der „die katholische Kirche“ erschüttert, wobei aus der ausführlichen Stellungnahme nur ein Satz zitiert wird. Der Rest ist ein Flickenteppich, den neben interessanten Aussagen des chilenischen Visitators leider auch viel Falsches und einige unfundierte Mutmaßungen über unsere Ordensgemeinschaft durchziehen. Beim eifrigen Sammeln von „Informationen“ in verschiedenen Internetmedien blieb wohl keine Zeit mehr für eine Rückfrage bei den Legionären Christi selbst. Schade. Denn so hätte der Leser aus erster Hand erfahren können, dass in unserer Ordensgemeinschaft längst niemand mehr den Gründer für ein „unschuldiges Opfer“ hält und das Beichtgeheimnis bei uns genauso absolut eingehalten wird wie in der gesamten katholischen Kirche. Mein Mitbruder P. Hans Zollner SJ hat inzwischen in einer Email bestätigt, dass auch er diesbezüglich im Artikel falsch zitiert worden ist. Jedes Jahr treten weltweit ca. zweihundert junge Männer in die Gemeinschaft ein. Vom Abiturienten bis zum promovierten Naturwissenschaftler, Jugendliche mit Fachabitur und Meisterbrief, Köche und Berufsschullehrer sind unter ihnen. Fast allen wurde der katholische Glaube durch die eigenen Eltern vermittelt, die sie auch auf ihrem Weg als Legionäre Christi begleiten und unterstützen. Weiter wird behauptet, vielen erscheine der Reichtum des Ordens ein Rätsel. Wäre dem tatsächlich so, müssten sich unsere Ausbildungshäuser und Apostolatswerke nicht so oft den Kopf darüber zerbrechen, wie sie mit dem knappen Budget bis ans Monatsende gelangen. Entschieden weise ich die suggerierte Mitwisserschaft unserer derzeitigen Ordensleitung am Fehlverhalten des Gründers zurück, zumal im Artikel als einziger „Beleg“ vorgebracht wird, dass es nicht anders gewesen sein könne. Und beim Gehorsamsgelübde geht es auch bei uns nicht um Unterwerfung unter Menschen, sondern „die Ordensleute bringen die volle Hingabe ihres Willens gleichsam als Opfer ihrer selbst Gott dar“ (Zweites Vatikanisches Konzil). Im festen Vertrauen, dass Gott all jene, die ihm ihr Leben geschenkt haben, auch in schweren Zeiten nicht verlässt, gehen wir Legionäre Christi unseren Weg in die Zukunft.
P. Sylvester Heereman LC, Ordensprovinzial der Legionäre Christi für Deutschland und Mitteleuropa