In der katholischen Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur „Die Tagespost“ erschien am 13. November folgender Artikel, den wir hier mit freundlicher Erlaubnis der Redaktion veröffentlichen.
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Mit einem Approbationsdekret hat der Vatikan am 16. Oktober die neuen Konstitutionen des Priesterordens der Legionäre Christi anerkannt. Dieser Schritt war das Hauptziel des Erneuerungsprozesses der Gemeinschaft, die in eine tiefe Krise geraten war, nachdem das Doppelleben des Ordensgründers bekannt geworden war. Der Österreicher Pater Andreas Schöggl LC, Jahrgang 1974, ist der Ordensprovinzial der Legionäre Christi für West- und Mitteleuropa. Er hatte von 2005-2010 in der deutschen Sektion des vatikanischen Staatssekretariats gearbeitet und wurde 2012 Nachfolger von Pater Sylvester Heereman LC, der bis dahin Territorialdirektor des Ordens für West- und Mitteleuropa war und heute im Generalrat der römischen Ordensleitung wirkt. Pater Schöggl lebt heute in Deutschland.
Der Vatikan hat die neuen Statuten des Ordens der Legionäre Christi approbiert. Sind Sie erleichtert?
Ja, ich bin erleichtert, und vor allem dankbar, denn so eine Anerkennung durch den Heiligen Stuhl ist nicht eine Frage kirchlicher Bürokratie, sondern dahinter steht das Wirken Gottes. Papst Johannes Paul II. drückte es so aus: „Wenn die Kirche eine Form des geweihten Lebens oder ein Institut anerkennt, garantiert sie, dass sich in deren geistlichem und apostolischem Charisma alle objektiven Anforderungen finden, um die persönliche und gemeinschaftliche Vollkommenheit im Sinne des Evangeliums zu erreichen“ (Vita consecrata, Nr. 93). Das muss man sich erst einmal in Ruhe ins Herz sinken lassen.
Der Erneuerungsprozess des Ordens hatte 2010 begonnen. Bis Anfang dieses Jahres war Kardinal Velasio De Paolis der Päpstliche Delegat, der diesen Prozess begleitet hat. War das für Sie eine Periode, in der man einfach neue Ordensregeln diskutiert und geschrieben hat, oder auch eine dramatische Zeit? Gab es Momente, in denen man glaubte, nicht ans Ziel zu gelangen?
Dramatisch war die Zeit unmittelbar vor 2010, als wir mit dem leider erschreckenden Verhalten unseres Gründers konfrontiert wurden und hohe Wellen das Schiff unserer Kongregation hin und her warfen. Als dann Papst Benedikt das Ruder in die Hand nahm, 2009 eine Apostolische Visitation anordnete und 2010 einen päpstlichen Delegaten ernannte, kam institutionell vieles schnell in ruhigere Bahnen. Es blieb das persönliche Ringen im Herzen der einzelnen Mitglieder, aber insgesamt überwogen der feste Glaube und das Vertrauen auf die Kirche.
Für einen Orden ist das Charisma sehr wichtig, aus dem heraus er gegründet wurde. Wie würden Sie das Charisma der Legionäre Christi heute beschreiben? Was zieht einen jungen Mann besonders an, wenn er sich dem Orden nähert?
Das Charisma eine Ordens besteht im Grunde genommen darin, einen Aspekt des Lebens und Wirkens Jesu besonders zu vergegenwärtigen, z.B. Jesus, der lehrt, der heilt, der betet, etc. In unserem Fall ist es, wie es nun in den Konstitutionen steht, Jesus, „der die Apostel um sich herum sammelt, ihnen die Liebe seines Herzens offenbart, sie ausbildet und sendet, damit sie mit ihm bei der Errichtung seines Reiches zusammenarbeiten (vgl. Mk 3, 13-14, Mt 10, 5-10; Mt 28, 18-20)“. Kurz gesagt wollen wir Menschen helfen, Christus zu begegnen, damit er sie zu seinen Aposteln macht. Die persönliche Beziehung zu einem lebendigen Christus und ein entschiedener, gemeinschaftlicher Einsatz für das Heil der Menschen sind für mich nicht nur anziehend, sondern können ein ganzes Leben erfüllen.
Die alten Konstitutionen setzten sich aus 872 Nummern zusammen. Die nun approbierten kommen mit 235 aus. Hat sich Ihr Leben als Ordensmitglied damit vereinfacht? Können Sie Beispiele nennen, was zum Beispiel weggefallen ist oder durch die Konstitutionen nicht mehr geregelt wird?
Unsere alten Konstitutionen hatten einen sehr ausführlichen Teil über die Leitung und Verwaltung der Kongregation, mit einer genauen Beschreibung aller Funktionen und Aufgaben. Da sind allein etwa 300 Nummern weggefallen, da manche dieser Dinge gar nicht ordensweit und dauerhaft festgelegt werden müssen, bzw. einfach nicht ins „Grundgesetz“, sondern in ein spezielles Regelwerk gehören. Ähnliches gilt für die Beschreibung der Ausbildungsphasen und für die Hausordnungen, bzw. das Verhalten der einzelnen Ordensleute. Das Wegfallen dieser Detailnormen bringt mehr Flexibilität, aber auch mehr Eigenverantwortung der einzelnen Hausgemeinschaften und Priester mit sich.
In einer Pressemitteilung der Legionäre Christi in Deutschland heißt es, dass es bei der Leitung der Ordensmitglieder nun eine klare Trennung zwischen äußerem und innerem Forum gibt. Was bedeutet das, was ist der Unterschied zu früher?
Mit äußerem Forum bezeichnet die Kirche den Bereich der Ausbildung, die Zulassung zu den Gelübden und der Priesterweihe und die Leitung der Gemeinschaften und des pastoralen Wirkens. Inneres Forum ist z.B. die Beichte und die geistliche Begleitung. Obwohl wir immer die auch kirchenrechtlich verbürgte Freiheit hatten, bei jedem Priester zu beichten und uns auch einen eigenen geistlichen Leiter zu suchen, so gingen in der Praxis doch viele auch in diesen Anliegen zu den Oberen. Das hat eine lange Tradition im Mönchtum, wo der Abt auch geistlicher Vater ist, aber es birgt doch Risiken mit sich, gerade wenn es in dieser Beziehung Spannungen gibt oder Interessenskonflikte entstehen. Darum halte ich es für sehr gut, dass nun alle mehrere feste Ansprechpartner haben.
Wie wächst und gedeiht der Orden in Mittel- und Westeuropa? Oder gab es Rückschläge beziehungsweise eine Stagnation?
Viele Zeichen stehen weiterhin auf Wachstum. Vor 25 Jahren haben wir in Deutschland und Österreich mit einem Priester begonnen. Heute haben wir vier Niederlassungen (Düsseldorf, Bad Münstereifel, Neuötting und Wien), mit etwa 20 Priestern und 20 Novizen und Ordensleuten in Ausbildung. Gott sei Dank hat kein deutschsprachiger Priester die Gemeinschaft verlassen, und ich sehe auch weiter viel Dynamik, gerade in der Jugendarbeit, im kleinen Seminar in Bad Münstereifel und auch im Noviziat, dessen neuer Sitz bei Altötting erst im vergangen Juni eingeweiht wurde.
Man kann sich nicht vorstellen, dass die vergangenen vier, fünf Jahre spurlos am Innenleben des einzelnen Legionärs Christi vorbeigegangen sind. Wie würden Sie Ihre seelische Verfassung beschrieben?
Für mein Primizbild habe ich 2003 einen Wahlspruch aus dem Römerbrief gewählt: „Bei denen die Gott lieben, führt alles zum Guten“. Damals wusste ich noch nicht, wie stürmisch meine ersten Jahre als Priester sein würden, aber ich wusste auch noch nicht aus Erfahrung, wie treu und voller Erbarmen Gott ist. Manche Begegnungen mit tief verletzten Menschen waren erschütternd, und ich hätte gerne besser geholfen, um diese Wunden zu heilen. Andererseits ist Jesus heute noch mehr ein echter Freund, mein Lebensfundament. Darum richtet sich mein Blick auch nicht verzagt nach innen, sondern mir geht oft durch den Kopf, dass es so viele Menschen gibt, für die Gott keine Rolle zu spielen scheint, wie allein Jugendliche sind, die ihren Glauben leben und bekennen, und auch die Tragödie, dass es gar nicht so weit weg von uns eine blutige Christenverfolgung mit nicht wenigen Märtyrern gibt.
Warum dauert das so lange, bis auch die Laienvereinigung der Legionäre, das Regnum Christi, eine neue Konstitution erhält? In der oben erwähnten Pressemitteilung ist vom Jahr 2020 die Rede...
Dabei muss bedacht werden, dass nicht nur die Konstitutionen der Legionäre Christi bereits in Kraft sind, sondern auch die beiden überarbeiteten Statuten der gottgeweihten Männer und Frauen des Regnum Christi. Damit ist schon sehr viel gut abgedeckt. Jetzt folgen noch die anderen Erwachsenen und Jugendlichen im Regnum Christi und die definitive kirchenrechtliche Strukturierung der gesamten Bewegung. Dieser Weg dauert länger, weil wir viel mehr Menschen in über 30 Ländern in den Reflexionsprozess einbeziehen wollen. Neben Beruf, Familie und christlichem Engagement haben diese Laien auch nur beschränkt Zeit für den Austausch und Versammlungen zu diesem Thema. Andererseits ist die Zugehörigkeit zum Regnum Christi bei Laien ohnehin vor allem geistlich und persönlich. Sie bringt einige Vorsätze mit sich, aber keine rechtlichen Verpflichtungen und damit auch keine Dringlichkeit, kurzfristig neue Regelungen zu erstellen. Schließlich ist es nicht einfach, kirchenrechtliche Strukturen für eine so bunte und vielfältige Bewegung mit Ordenspriestern, Gottgeweihten und Laien zu finden. Das gilt für viele Gruppen, die seit dem Konzil entstanden sind und teilweise mit den Hirten der Kirche seit Jahrzehnten auf der Suche nach dem besten Modell sind. Das Wachstum und Engagement für den Glauben geht weiter und bringt Frucht in der Nächstenliebe, auch wenn nicht alles geregelt und kodifiziert ist.