Die Legionäre Christi wollen Rechenschaft ablegen über die Verpflichtungen, die sie gegenüber den Betroffenen von sexuellem Missbrauch eingegangen sind, seit die Ordensgemeinschaft vor gut zwei Jahren alle Fälle in ihrer Geschichte veröffentlicht hatte. Ein Jahr später, am 22. März 2021, war der I. Jahresbericht „Wahrheit, Gerechtigkeit und Heilung“ veröffentlicht worden.
So berichtet die Ordensgemeinschaft nun mit dem II. Jahresbericht „Wahrheit, Gerechtigkeit und Heilung“ im zweiten Jahr in Folge über die unternommenen Schritte und stellt das internationale Programm für finanzielle Leistungen zur Anerkennung des Leids, das Betroffene sexuellen Missbrauchs zugefügt wurde, vor. Das Programm soll noch in diesem Jahr aufgelegt und schrittweise weltweit etabliert werden.
Die Legionäre Christi gehen derzeit mit 56 der rund 170 bekannten Betroffenen einen Weg der Heilung. „Eshmá“, eine unabhängige Facheinrichtung, die von Personen gegründet wurde, die selbst Betroffene von sexuellem Missbrauch sind, und von Therapeuten, Sozialarbeitern und Juristen (Experten für restauratives Recht), betreut ihrerseits 20 Personen.
Programm für finanzielle Leistungen zur Anerkennung des Leids
Im Bemühen, Wege der Versöhnung und Heilung zu fördern, haben die Legionäre Christi ein Programm für finanzielle Leistungen zur Anerkennung des Leids entwickelt, das den Betroffenen sexuellen Missbrauchs, über die sie begleitende Fachleute, im Rahmen eines umfassenderen Prozesses der wiederherstellenden Gerechtigkeit, angeboten wird. Dieses Programm soll auch zur ganzheitlichen Heilung von Betroffenen beitragen.
Es sieht unabhängige Ausschüsse vor, die sich aus Sachverständigen und Überlebenden oder Familienangehörigen zusammensetzen, und legt Verfahren und Parameter fest, die die Betroffenen in den Mittelpunkt stellen und eine erneute Viktimisierung vermeiden sollen. Es gibt keine Auflagen für die Betroffenen, die weder schweigen noch auf künftige Ansprüche oder rechtliche Schritte verzichten müssen, und es sieht vier Arten der Anerkennung des Leids vor: Unterstützung für die Rehabilitation oder therapeutische Behandlung, wirtschaftliche Entschädigung für das erlittene Leid, Zuschüsse für ein Minimum an lebensnotwendiger Unterstützung und andere Arten der institutionellen Unterstützung, wie z.B. Gesprächstherapien.
Die Kongregation der Legionäre Christi ist sich bewusst, dass die finanziellen Anerkennungszahlungen „das durch den Missbrauch verursachte Leid nicht ungeschehen machen oder kompensieren können“, dass sie aber „zusammen mit der Fürsorge und der Begleitung zur Gerechtigkeit beitragen und die Heilung der Betroffenen erleichtern können, um die Last zu lindern, die von denen getragen wird, die diese Wunde tragen“, heißt es im II. Jahresbericht.
In der hiesigen Ordensprovinz West- und Mitteleuropa werden die Legionäre Christi für Deutschland entsprechend prüfen, in welcher Form sie sich dem kirchlichen Hilfesystem zur Anerkennung des Leids für Betroffene sexuellen Missbrauchs, wie es die Deutsche Bischofskonferenz und Deutsche Ordensobernkonferenz Anfang 2021 beschlossen, anschließen werden.
Den Betroffenen zuhören, sie aufnehmen und begleiten
Die Ordensgemeinschaft der Legionäre Christi hat ferner danach gesucht, von sich aus auf Betroffene zuzugehen. So konnten mit 56 der insgesamt 170 bekannten Betroffenen zusammen Wege der Heilung beschritten werden.
„Eshma“, jene Einrichtung, die sich auf die Aufnahme und Begleitung von Betroffenen von sexuellem Missbrauch, Machtmissbrauch und geistlichem Missbrauch in der katholischen Kirche spezialisiert hat, unterstützte zum Zeitpunkt der Erstellung des II. Jahresberichts 31 Betroffene von sexuellem Missbrauch durch Mitglieder der Kongregation, von denen 20 den Missbrauch anzeigten, den sie als Minderjährige erlitten hatten. Die Identität von Einzelpersonen und Informationen über den erlittenen Missbrauch werden der Kongregation nur mitgeteilt, wenn die Opfer dies wünschen.
Zertifizierte Präventionsarbeit
Im Jahr 2021 verfügen alle Länder, in denen die Kongregation der Legionäre Christi vertreten ist, über institutionelle Schutzkonzepte, die von einem Verantwortlichen in jedem Land koordiniert werden. Außerdem arbeitet die Ordensgemeinschaft weltweit mit „Praesidium“ zusammen, einer externen Institution, die sich auf die Schaffung „sicherer Umfelder“ (engl. „safe environment“) für Minderjährige gemäß den höchsten international anerkannten Präventionsstandards spezialisiert hat, um deren Zertifizierung zu erlangen.
Für Deutschland haben die Legionäre Christi als Priesterkongregation päpstlichen Rechts die Leitlinien und Rahmenordnung der Deutschen Ordensobernkonferenz ratifiziert. In Österreich gelten für uns die Vorgaben der Rahmenordnung der katholischen Kirche der österreichischen Bischofskonferenz. Nähere Informationen finden Sie dazu hier auf unserer Webseite.
Aktualisierte Informationen auf 0abusos.org
Alle aktualisierten Falldaten, Dokumente und Berichte sowie die Kontakte zu institutionellen und unabhängigen Meldestellen finden Sie im Internet auf einer eigenen Webseite, unter: www.0abusos.org.
► Den vollständigen Jahresbericht in spanischer Sprache (Originalversion) finden Sie hier zum Download als PDF auf unserer Webseite.
► Den vollständigen Jahresbericht in englischer Sprache finden Sie hier zum Download als PDF auf unserer Webseite.
Der Schmerz der Betroffenen
Gemeinsam mit Papst Franziskus wollen die Legionäre Christ mit diesem Jahresbericht sagen: „Wenn wir auf die Vergangenheit blicken, ist es nie genug, was wir tun, wenn wir um Verzeihung bitten und versuchen, den entstandenen Schaden wiedergutzumachen. Schauen wir in die Zukunft, so wird es nie zu wenig sein, was wir tun können, um eine Kultur ins Leben zu rufen, die in der Lage ist, dass sich solche Situationen nicht nur nicht wiederholen, sondern auch keinen Raum finden, wo sie versteckt überleben könnten. Der Schmerz der Opfer und ihrer Familien ist auch unser Schmerz; deshalb müssen wir dringend noch einmal unsere Anstrengung verstärken, um den Schutz von Minderjährigen und von Erwachsenen in Situationen der Anfälligkeit zu gewährleisten“ (Papst Franziskus, Schreiben an das Volk Gottes, 20. August 2018).
Auch der II. Jahresbericht ist ein Schritt mehr in diese Richtung, von der Papst Franziskus am Ende des Generalkapitels 2020 an die Legionäre Christi und Mitglieder des Regnum Christi spach: „Der Weg der Erneuerung [ist] nicht beendet..., denn ein Mentalitätswandel verlangt in den einzelnen Personen und in einer Institution viel Zeit zur Assimilation, also eine fortwährende Umkehr“ (Papst Franziskus, Ansprache des Heiligen Vaters, übermittelt an die Teilnehmer des Generalkapitels der Legionäre Christi und der Generalversammlungen der Gottgeweihten Frauen und Männer des Regnum Christi, 29. Februar 2020).