Das Leben mitten in einer Großstadt wie Rom kann für jemanden wie mich, der das ländliche Allgäu liebt, tatsächlich eine teilweise große Herausforderung sein.
Ich studiere hier derzeit im dritten Semester Theologie an der päpstlichen Hochschule „Regina Apostolorum“. Hier treffe ich fast die „ganze Welt“. Unter meinen Kommilitonen sind Seminaristen aus Spanien, Kroatien und Italien, aus Indien und Korea, aus Nigeria, dem Sudan und der Elfenbeinküste, und auch die amerikanischen Kontinente sind von Kanada bis Brasilien beinahe vollständig vertreten. Die (sprachliche) Verständigung ist da nicht immer einfach. Jeder Tag birgt auch in den alltäglichsten Sachen ein Abenteuer.„Out-of-the-box“-denken
Diese Herausforderungen sind für mich aber auch gute Lehrmeister. Zum einen ist es eine unglaubliche kulturelle Bereicherung. Ab und zu bereitet zum Beispiel eine Gruppe typisches Essen aus der Heimat vor oder gibt die Landesmusik zum Besten. Wir treffen uns, um gemeinsam zu studieren, zum
Fußballspielen oder einfach nur zum Beisammensein. Aber auch geistlich gehen mir da immer wieder neue Horizonte auf. Wir Menschen tendieren ja gerne dazu, nicht sehr weit über unseren Tellerrand hinauszuschauen. Wenn man dann auf Menschen aus einer anderen Kultur trifft, merkt man plötzlich auch, wie sehr die eigene Gottesbeziehung bereichert wird, oftmals auch richtiggehend befreit werden kann, indem man dazu „gezwungen“ wird, „out-of-the-box“ zu denken. Für die Seminaristen aus dem Sudan beispielsweise ist Christenverfolgung nicht nur ein Begriff aus den Fürbitten des Sonntagsgottesdienstes, auch nicht eine Erfahrung des medialen Geschehens, wie wir das ja hier in Europa meist „nur“ erleben. Nein, viele aus diesem Land im Nord-Osten Afrikas haben Familienangehörige, die für ihren Glauben tatsächlich als Märtyrer gestorben sind.Solide-katholische und umfassende Ausbildung
Auf meinem Weg zur Priesterweihe ist mir eine solide-katholische und umfassende Ausbildung in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Das schätze ich auch sehr an meiner Universität und meiner Ordensgemeinschaft. Als Priester und Missionar werde ich später mit komplexen Situationen konfrontiert werden, in denen ein starkes Glaubens- und Wissensfundament Gold wert ist. Während des Studiums kommt aber auch die pastorale Erfahrung nicht zu kurz. Wir Ordensbrüder helfen unter anderem in Pfarreien in Rom mit: in der Jugendarbeit, mit den Ministranten oder bei Hausbesuchen. Diejenigen von uns, die schon mit dem Amt des Akolyten (Subdiakonat) beauftragt wurden, helfen den Priestern bei der Austeilung der Kommunion und bei den Sakramenten. Beides – die solide theoretische Grundlage sowie die praktische Erfahrung – helfen mir sehr und ich spüre, wie es das harmonische Zusammenspiel von beidem ist, welches eine gute Priesterausbildung ausmacht.
Derzeit helfe ich auch in der Personalabteilung der Generalverwaltung unserer Ordensgemeinschaft aus, bin für meine Mitbrüder ab und zu Friseur, und viele weitere, anfallende Arbeiten im Haus packen wir zusammen an: abwaschen, putzen, kochen usw. Vor einiger Zeit hat Gott mir auch einen Kindertraum erfüllt: Ich konnte in Rom den Busführerschein der Klasse D absolvieren.
Aber all das – Studium, Apostolat, Gemeinschaftsleben – bliebe wohl an der Oberfläche, stünde nicht Jesus Christus im Zentrum meines Lebens. Auch wenn mir das manchmal nicht leichtfällt. Im Trubel des Alltags ist es nicht immer einfach, Gott zu suchen. Den „geistlichen Kampf“, d.h. jenes Ringen in unserem Herzen, um in der Gegenwart und dem Willen Gottes zu leben, erlebe ich teilweise als sehr intensiv. Für mich ist – abgesehen von der morgendlichen Stunde des stillen Gebetes und der heiligen Messe – vor allem das Stundengebet eine großartige Hilfe geworden, um den Tag um Gott herum zu strukturieren. Wichtig sind mir auch die eucharistische Anbetung und der Rosenkranz. Das sind die Momente, in denen ich Kraft schöpfen und mich wieder auf Gott ausrichten kann. Als Ordensmann und zukünftiger Priester lebe ich für IHN und wenn sich jetzt in großen Schritten die Weihen nähern, dann wünsche ich mir für mich selbst, dass dieses Bewusstsein immer mehr bei mir in Fleisch und Blut übergeht.
Freude und Dankbarkeit
Ins Noviziat bin ich 2012 eingetreten, seither bin ich mit Gott auf dem Weg. Wenn ich auf diese lange Zeit zurückschaue, in der Gott mich geführt hat, dann füllt sich mein Herz mit großer Freude und Dankbarkeit. Gott ist treu und barmherzig. Ich habe ihn als guten Vater erleben dürfen und weiß mich von ihm auch auf diesen letzten Schritten in Richtung Priestertum getragen – und ein Leben lang. Häufig hallt in meinem Herzen eine Bitte nach, die dem Ritus der Ordensgelübde entnommen ist, und welche für mich eine tragende Gewissheit geworden ist: Gott, der das gute Werk begonnen hat, möge (und wird) es auch zur Vollendung führen!
Mit lieben Grüßen aus Rom und der Bitte um Gebet, Euer
Bruder Rafael
Zur Person
Br. Rafael Böhm, 29, stammt aus der Pfarrei St. Martin in Marktoberdorf. 2012 trat er ins Noviziat der Legionäre Christi ein und legte 2014 seine ersten Gelübde ab. Anschließend studierte er in Monterrey, Mexiko, sowie in Rom, Italien. 2018 begann er ein zweijähriges Praktikum als Erzieher für die Oberstufe an der Apostolischen Schule der Legionäre Christi in Bad Münstereifel (Erzdiözese Köln). Derzeit studiert er Theologie an der päpstlichen Hochschule Regina Apostolorum in Rom, um sich auf die Weihen vorzubereiten.
Die Erstveröffentlichung des Beitrages erfolgte im Pfarrboten der Pfarreiengemeinschaft Marktoberdorf, Ausgabe 2021.