Auch wenn wir den Heiligen Geist bei jedem Kreuzzeichen erwähnen, ist er leicht der große Unbekannte in unserem alltäglichen Leben.
Wie kann der Heilige Geist konkret mein Leben und meinen Tag verändern?
Das ist mir kürzlich bei einem unserer Gemeinschaftstage in Neuötting bewusst geworden: Ich war Mitbrüdern der Legionäre Christi bei einem Ausflug mit Fahrrädern unterwegs, und während ich mich langsam eine Steigung hinaufquälte, überholte mich mit zügigen Tempo nicht etwa ein Mitbruder, sondern eine Person fortgeschrittenen Alters. Ich konnte es zunächst gar nicht fassen, doch als ich dann genauer hinsah, bemerkte ich, dass es unfaire Bedingungen gab: Mein Konkurrent war auf einem E-Bike unterwegs. Der Vergleich mit einem E-Bike hat mir geholfen das Wirken des Heiligen Geistes besser zu verstehen: Das E-Bike fährt nicht von alleine, es erspart nicht die Anstrengung des Tretens, aber es unterstützt die Bemühungen und gibt ihnen mehr Kraft, so dass man leichter und schneller vorankommt. Ebenso ersetzt auch der Heilige Geist nicht den eigenen Einsatz im christlichen Leben – ich kann ich mich in die Hängematte legen, während der Heilige Geist wie Heinzelmännchen die Arbeit erledigt. Doch kommt er meinen oft schwachen menschlichen Bemühungen zu Hilfe. Besonders bei Steigungen ist ein E-Bike sehr praktisch. Es hilft, mit gewisser Leichtigkeit Höhen zu erreichen, die mit bloßer Muskelkraft nicht zu schaffen wären, wo man sich vielleicht nicht einmal trauen würde, das anzupacken. Solche Steigungen erfahren wir auch in unserem Leben: Gebet und geistliches Leben, Beziehungen, Krankheiten, Enttäuschungen oder unvorhergesehene Ereignisse.
Hier ermutigt auch der Heilige Geist, die Herausforderungen eines christlichen Lebens anzugehen, was den bloß guten Willen, edle Motivationen und ehrliches Bemühen übersteigt. Gerade in den schwierigen Momenten unterstützt er mit seinen Gaben, wo wir uns allein wohl nicht trauen würden, und lässt die Früchte seiner Gegenwart und seines Wirkens wachsen. Jetzt kommt jedoch noch der Haken: Wenn uns doch der Heilige Geist mit der Taufe und Firmung gegeben ist, warum erfahre ich ihn dann nicht stärker? Auch hier hilft wieder der Vergleich mit dem E-Bike: Die angenehme Hilfe eines E-Bikes kann ich nur dann zu erfahren, wenn es auch entsprechend aufgeladen ist. Nur dann kann es entsprechend unterstützen. Sonst ist es schwerer und braucht daher beim Treten sogar mehr Kraft als ein normales Fahrrad. So scheint mir, dass wir mit Taufe und Firmung den Heiligen Geist zwar schon haben, doch sein Wirken können wir nur dann fruchtbar erfahren, wenn wir uns auch immer wieder bei ihm aufladen.
Wie geschieht das?
Vor allem im Gebet. Das muss nicht immer lange dauern, sondern kann auch im Alltag immer wieder fragen: Gibt mir ein, was ich sagen, wo ich schweigen, wie ich verstehen, wo ich trösten, wie ich helfen kann. Dann natürlich auch darin, dass ich mich bemühe, die Eingebungen des Heiligen Geistes zu erkennen – auch wenn sie vielleicht etwas unangenehm sind – und sie zu befolgen. Eine große Ladestation ist sicher die heilige Messe, in der Gott machtvoll wirkt und uns mit seiner Liebe beschenkt. Ohne die Kraft des Heiligen Geistes ist ein christliches Leben schwer und wird leicht nur als Last empfunden. Doch zeigt der Heilige Geist, dass christlicher Glaube nicht weitere Lasten auferlegt, sondern vor allem eine Hilfe bietet, diese zu tragen. Der Heilige Geist ist der Beistand, der Tröster, der Helfer und die Kraft, mit der Gott mir hilft. Die Fahrt mit dem E-Bike ist schneller und macht mehr Freude als mit einem normalen Fahrrad. Allerdings erspart mir auch dieses Gefährt nicht mögliche Hindernisse wie Regen oder Schnee sowie die nötige Aufmerksamkeit im Straßenverkehr, diese ist wegen der höheren Geschwindigkeit sogar noch wichtiger. So räumt auch der Heilige Geist nicht alle Schwierigkeiten weg, er lässt uns die Freiheit und Verantwortung, aber gemeinsam mit ihm kommt man dennoch schneller voran und erfährt mehr Freude am Leben.
Wohin geht die Reise? Es bringt ja wenig, mit dem Fahrrad einfach nur unterwegs zu sein, wenn man kein Ziel hat. Der Heilige Geist führt auf den Weg der Heiligkeit: Diese gemeinsame Berufung aller Christen hat Papst Franziskus jüngst in seinem Schreiben „Gaudete et exsultate“ wieder neu unterstrichen und ins Bewusstsein gerufen. Der Herr fordert alles; was er dafür anbietet, ist wahres Leben, das Glück, für das wir geschaffen wurden. Er will, dass wir heilig sind, und erwartet mehr von uns, als dass wir uns mit einer mittelmäßigen, verwässerten, flüchtigen Existenz zufriedengeben. Ein schönes E-Bike lädt dazu ein, sich auf den Weg zu machen, nicht faul und bequem sitzen zu bleiben oder nur virtuell unterwegs zu sein, sondern die reale Welt zu entdecken. So ruft mich auch der Heilige Geist immer wieder aus meiner Komfortzone und virtuellen Scheinwelten heraus auf den wunderbaren Weg, den Gott mir bereitet hat.
Dieser Impuls von Pater Martin Baranowski LC wurde am 28. Mai 2018 um 7.30 Uhr auf Radio Horeb gesendet. Sie können ihn entweder oben nachlesen oder als Podcast hier herunterladen und nachhören.