Dienstag,
9. Mai 2017
Showdown im Tempel
Dienstag in der vierten Woche der Osterzeit
Hl. Beatus
Hl. Theresia Gerhardinger, SSND
Hl.
Adalgar OSB
Hl. Volkmar OSB
Br. Gabriel Wendt LC
Joh 10,22-30
In Jerusalem fand das Tempelweihfest statt. Es war Winter, und Jesus ging im Tempel in
der Halle Salomos auf und ab. Da umringten ihn die Juden und fragten ihn: Wie lange noch willst du uns
hinhalten? Wenn du der Messias bist, sag es uns offen! Jesus antwortete ihnen: Ich habe es euch gesagt, aber
ihr glaubt nicht. Die Werke, die ich im Namen meines Vaters vollbringe, legen Zeugnis für mich ab; ihr aber
glaubt nicht, weil ihr nicht zu meinen Schafen gehört. Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie,
und sie folgen mir. Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen, und niemand wird sie
meiner Hand entreißen. Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle, und niemand kann sie der Hand
meines Vaters entreißen. Ich und der Vater sind eins.
Einführendes Gebet: Großer Gott, du hast mich in der Taufe zu einem Tempel gemacht, in dem du lebst, wirkst und sprichst. Ich glaube, dass du hier und jetzt gegenwärtig bist und bete dich an.
Bitte: Hilf mir, dir jetzt in der Halle meines Gewissens zu begegnen und dein Wort für den heutigen Tag zu hören.
1. Gewissheit im Tempel. "Jetzt rede doch endlich Klartext!" Jedem, der einmal versucht hat, eine große Entscheidung von Gottes Weisung abhängig zu machen, sind diese Worte wohl einmal in den Sinn oder gar über die Lippen gekommen. Ist man schon einmal so weit, Gott das Kommando in einer Entscheidung zu überlassen, so erwartet man immerhin, dass er sich auch deutlich dazu äußert, was Sache ist. So auch die Juden, die Jesus im Tempel zur Rede stellen wollen. Ihre Absicht scheint mustergültig: Sie sind bereit, ihm als dem Messias zu folgen; aber etwas Gewissheit dürfen sie wohl erwarten – insbesondere, weil eine Volksbewegung um einen ausgerufenen, aber so umstrittenen Messias für jeden von ihnen riskant wäre. So drängen sie Jesus in einer Seitengalerie des Tempels buchstäblich in die Ecke und nageln ihn mit einer knappen Frage fest: Bist du der Messias?
2. Eine Ecke im Tempel des Gewissens. Nicht zum ersten Mal gelangt die Schilderung des Evangeliums an einen solchen Punkt, an dem man meint, die sich angestaute Spannung werde nunmehr endlich im Showdown einer gleißenden Offenbarung gipfeln. Doch Jesus überrascht mit einer ausweichenden Antwort, die nur auf den zweiten Blick kraftvoll und entwaffnend ist. "Meine Schafe hören auf meine Stimme," sagt Jesus. Er belehrt sie, dass die Nachfolge nicht durch große Bekanntmachungen einsetzt, sondern durch das Vernehmen des vertrauten Rufs Gottes im eigenen Gewissen. Jener Instinkt der Schafe, die ihren Hirten erkennen; jene Feinheit im Gewissen, die Gottes leises Rufen entziffert: Das ist es, worauf wir horchen müssen, wenn wir eine Gewissensentscheidung von Gott her treffen wollen. Wenn wir hingegen, wie in dieser Szene, Gott in eine Ecke im Tempel unseres Gewissens treiben, beweist das nur, dass wir letztlich die eigenen Vorstellungen "auf höchster Ebene" rechtfertigen wollen.
3. Das Gewissen als Tempel. Was wir Christen ohne zu zögern annehmen, nämlich, dass Jesus den Anspruch stellt, im Tempel des Gewissens seiner Zuhörer zu reden – also in jenem inneren Heiligtum, in dem der Mensch Gottes Stimme hört und nicht bloß in einem steinernen Tempel – dieser Anspruch beschwört bei jenem Gespräch im Tempel einen Eklat herauf. "Ich und der Vater sind eins," sagt dieser Rabbi und macht sich somit Gott gleich. Sie waren gekommen, um ihm die Messiaswürde ein für alle Mal zuzugestehen, sofern er sich nach ihren Vorstellungen verhalten würde; stattdessen offenbart er sich ihnen als Gottes Sohn, dem Vater gleichgestellt. Wenn wir bei einer Entscheidung auf die Stimme in unserem Gewissen hören wollen, dürfen wir diese also nicht verdrehen und nach dem Mund unserer eigenen Vorstellungen reden lassen. Gott das Kommando bei einer Entscheidung zu geben, bedeutet also, ihn als den eigentlichen Herrn des Tempels und sein Wort als die eigentliche Autorität des Gewissens zu verehren.
Gespräch mit Christus: Herr, oft dringt dein Wort an mein Ohr. Häufig scheint es mir jedoch zu unbequem. "Das kann Gott doch nicht verlangen!" sage ich dann. Verzeih mir. Ich glaube an dich und weiß, dass du nie etwas von mir verlangen würdest, was nicht zu meinem Glück beiträgt.
Möglicher Vorsatz: In einer Gewissenserforschung möchte ich ganz einfach nachsehen, wo meine eigenen Vorstellungen der Stimme Gottes eine Grenze ziehen.