Dieser Sonntag eröffnet die Adventszeit. Das bürgerliche Jahr fängt zwar mit dem ersten Januar an, aber in der Kirche beginnt das liturgische Jahr mit dem ersten Adventssonntag. Wie Sie alle wissen, ist der Advent eine vierwöchige Zeit, in der wir uns auf das Weihnachtsfest vorbereiten. Warum hat die Kirche diese Lesung für den ersten Adventssonntag gewählt?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir den Kontext dieser Passage kennen. Jeremia war ein Priester und ein Prophet, der im 7. und 6. Jahrhundert vor Christus in der Stadt Jerusalem lebte. Wenn Sie die alttestamentliche Geschichte kennen, dann wissen Sie, dass dies eine unheilvolle Zeit in der Geschichte Jerusalems war.
Wegen der fortgesetzten Verfehlungen der Könige, der Priester und auch der gewöhnlichen Menschen ließ Gott die Zerstörung Jerusalems zu. Jeremia hatte versucht, sie zu verhindern, indem er alle warnte, dass Jerusalem zerstört würde, solange sie sündigen und nicht beginnen würden, auf Gott zu vertrauen. Aber die Leute hörten nicht auf ihn. Vielmehr schlugen sie ihn, warfen ihn ins Gefängnis und suchten ihn sogar zu töten. Schließlich endete Gottes Geduld; und er ließ zu, dass Jerusalem von den Babyloniern erobert und zerstört wurde. Das geschah im Jahr 587 vor Christus.
Das Buch Jeremia ist schwierig zu lesen, weil es viele Prophezeiungen von Finsternis und Untergang enthält. Aber zwischen all diesen negativen Prophezeiungen gab Jeremia auch einige positive Verheißungen. In der heutigen Lesung zum Beispiel spricht er von einem künftigen König, einem künftigen Retter, der – anders als die schlechten Könige und Priester in seinen Tagen – ein gerechter Richter und ein rechtschaffener Herrscher sein werde. Und er nennt diesen künftigen König einen “Spross”.
Dieses Bildwort “Spross” erinnert an eine andere Prophetie in der Bibel, und zwar an Jesaja Kapitel 11:
Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, / ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht. (Jesaja 11,1)
Auch Jesaja spricht von einem „Spross“, einem „Reis“. Er sagt, dass es aus dem Baumstumpf Isais hervorwachsen wird. Was bedeutet das?
Isai war der Vater König Davids; was Jesaja in seiner Prophezeiung sieht, ist der Niedergang des Hauses Isai – des Königreiches Davids -, vergleichbar mit dem Fällen eines Baumes. Nur ein Baumstumpf bleibt übrig. Er bezieht sich mit diesem Bildwort auch auf die Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier. Jesaja vergleicht den Rest der Königsherrschaft Davids mit einem Baumstumpf, der übrigbleibt, wenn der Baum gefällt ist.
Ein Baumstumpf scheint tot zu sein, ist aber nicht immer tot. Wie oft schon haben wir beim Spaziergang durch den Wald gesehen, wie Zweige aus scheinbar toten Stümpfen herauswachsen? Jesaja wie auch Jeremia verwenden dieses Bild in ihren Prophezeiungen, um auszudrücken, dass Gott, obwohl er die Zerstörung des Königreiches Davids zugelassen hat, es wieder zum Leben erwecken will, indem er einen Messias senden wird, der es wiederherstellt. Jeremias’ Verheißung spricht daher von dem zukünftigen Kommen Jesu Christi als der Messias.
Heutzutage haben wir viele überkommene Bräuche in der Adventszeit, die uns auf das Weihnachtsfest vorbereiten sollen: Adventslieder, Christbäume, Christkindlmarkt – und so fort. Aber eine Adventsüberlieferung, die wohl nicht sehr bekannt ist, ist der ‘Jesse-Baum’.
Mit dem ‘Jesse-Baum’ bereitet man sich auf Weihnachten vor, indem man eine Reise durch die Geschichten über Jesu Stammbaum unternimmt. Der Baum steht für den Familienstammbaum Jesu. An jedem Tag im Advent liest man eine Geschichte über jemanden im Stammbaum Jesu und hängt Adventsschmuck an den Baum, mit dem man die gerade gelesene Geschichte symbolisiert. Indem der Baum schrittweise geschmückt wird, kann man verstehen, wie Gott über viele Generationen auf die Geburt Jesu vorbereitet hat.
Dieser Brauch versetzt uns in die Vergangenheit der Juden, die auf den künftigen Messias warteten; sie warteten darauf, dass der Stumpf des Isai-Baumes wieder sprießen werde. Er ist eine hervorragende Möglichkeit, das Alte Testament kennenzulernen und das Weihnachtsfest vorzubereiten. Ich empfehle sehr, dass Sie dies mit Ihren Kindern und Enkelkindern tun.