Raphael Schmid kommt aus Bayern. Das Regnum Christi kannte er bereits durch seine Eltern. Nach dem Abitur beschloss er im Sommer 2023, nach Frankreich zu gehen, um als Coworker ein Jahr im Regnum Christi in Bordeaux mitzuarbeiten. Zurück in Deutschland erzählte er im Interview, warum er diesen Schritt gewagt hat und was er für sein weiteres Leben bedeutet.
* * *
Was war Deine Motivation, diesen Freiwilligendienst nach dem Abitur im Regnum Christi zu beginnen? Was hast Du Dir von dieser Zeit erhofft?
Raphael: Ich wollte nach dem Abitur erstmal ein Jahr Pause von der ganzen Lernerei machen und dachte mir eine Art freiwilliges soziales Jahr wäre eine tolle Sache. Ich kann neue Menschen, Kulturen, vielleicht sogar eine neue Sprache kennenlernen.
Ich kannte das Coworker-Programm schon von vielen anderen Personen, wie meiner Mutter und hatte meist eigentlich nur Positives darüber gehört. Deshalb hatte ich dann also angefragt, ob ich ein Coworker-Jahr machen kann, und relativ schnell bzw. spontan hat sich dann auch die Destination in Bordeaux herauskristallisiert. Somit konnte ich etwas von dem, was ich über die Jahre hinweg im RC erhalten hatte wieder ein bisschen zurückgeben und Gott während eines Jahres speziell dienen.
Ich hatte eigentlich gar nicht so viele Erwartungen. Ich hatte mich einfach darauf gefreut und darauf eingelassen, und sehr oft während des Jahres wurde ich positiv überrascht.
War Bordeaux Dein Wunsch-Ort? Warum gerade West-Frankreich?
Raphael: Zu allererst gab es jetzt auch keine unendliche Liste an Orten, die möglich waren – mir wurden die USA und Frankreich (wobei in diesem Jahr dort nur in Bordeaux Coworker empfangen werden sollten) als Ziele vorgeschlagen.
Damals waren die Coronaregeln für eine Einreise in die USA noch recht strikt, außerdem hatte ich bereits einen Hang zum Französischen, aufgrund des Schulunterrichts und eines Austausches in Frankreich, also schlug ich zu: Bordeaux, das Paradies der Weine. Und ich habe es keine Sekunde bereut, dort gewesen zu sein.
Was waren Deine Aufgaben als Coworker? Was hat Dich besonders herausgefordert?
Raphael: Ich war mit dem zweiten Coworker Adrian aus Kanada beinahe ausschließlich für die Jugendarbeit zuständig, d.h. alle Apostolate mit Kindern und Jugendlichen zwischen fünf und 17 Jahren.
Große Herausforderungen gab es für mich im Zeitmanagement, das heißt die Aufgaben so zu verteilen, dass immer etwas zu tun ist, und nicht manchmal gar nichts und ein anderes Mal kommt man mit der Arbeit kaum hinterher. Die NET-Camps (mit teilweise 70 Kindern), für die ich mitverantwortlich war, waren eine große, aber machbare Herausforderung. Wachsen konnte ich da vor allem in Hinblick auf meine Stressresistenz und Geduld.
Wie bist Du mit den Sprach- und Kulturunterschieden zurechtgekommen? Konntest Du Deine Talente gut einbringen?
Raphael: Adrian und ich konnten unsere Talente eigentlich relativ gut ergänzend in den Projekten einsetzen. Ich bin beispielsweise eine organisatorisch-analytische Person, aber gleichzeitig jemand, der gerne mit Kindern arbeitet, und Adrian war super als Sprecher und Animator. Da konnte jeder vom Anderen lernen.
Sprachlich kamen wir beide eigentlich sehr gut zurecht und können behaupten, dass wir die Sprache nun auf einem ähnlich guten Niveau flüssig sprechen können.
Aber natürlich gab es am Anfang manchmal Situationen, wo man sich nicht zu helfen wusste, weil z.B. ein kleines Kind viel zu schnell und undeutlich gesprochen hatte. Mit der konstanten Umgebung von Kultur und Sprache konnten wir uns aber relativ schnell integrieren und anpassen.
Zum Tagesablauf als Coworker gehört einiges an Gebetszeit? War das für Dich eine Hürde? Worin bestanden die Unterschiede zu Deinem üblichen Alltag zu Hause?
Raphael: Ja, richtig! Zum Coworker-Alltag gehören einige Gebetszeiten, wie die heilige Messe, die tägliche Meditation und weitere kleine Gebete. Und natürlich war es eine Überwindung, sich tatsächlich die Zeit dafür zu nehmen. Aber im Laufe des Jahres gaben diese Gebetszeiten mir auch eine gewisse Struktur im Alltag und man wächst darin.
Eine Herausforderung ist für mich bis jetzt, die Gebetszeit auch tatsächlich qualitativ zu halten und sich nicht nur hinzusetzen und die Zeit abzusitzen. Jetzt, wo ich wieder in meinen, in Anführungszeichen, normalen Alltag zurückgekehrt bin, kann ich dieselben Gebetszeiten in diesem Ausmaß nicht mehr beibehalten, aber ich versuche trotzdem, eine Kontinuität des täglichen Gebets beizubehalten.
Als Coworker hast Du mit einer Gemeinschaft von Legionären Christi zusammengelebt. Was bedeutete das für Dich?
Raphael: Adrian und ich wurden von der Gemeinschaft in Bordeaux sehr herzlich und verständnisvoll aufgenommen. Wir konnten uns recht gut in den Lebensalltag integrieren, nahmen aber natürlich nicht teil an allen gemeinschaftlichen Aktivitäten.
Was mir hier aber sehr geholfen hatte, war der Fakt einen weiteren Coworker zu haben, der im selben Lebensabschnitt wie ich steckte, mich verstand und mit dem ich mich jederzeit austauschen konnte.
Du hast von den Herausforderungen erzählt: fremdes Land, fremde Sprache, neues Lebensumfeld und neue Aufgaben. Wie bist Du mit Schwierigkeiten umgegangen? Was gab Dir Kraft?
Raphael: Natürlich waren das alles Herausforderungen. Es hielt sich aber für mich alles im Rahmen und ich denke, dass man in harten Momenten am meisten wachsen kann, so klischeehaft wie sich das jetzt auch anhört.
Aber wie eben schon erwähnt, war mir Adrian während dem Jahr immer als Unterstützung und Kumpel zur Seite. Das fängt bei den banalsten Dingen im Alltag an, bis eben hin zur Sprache. Auch die Jugendgruppe der Studenten des Regnum Christi dort war für mich immer ein Ort zum wieder auftanken, genauso wie die persönlichen Gebetszeiten.
Gab es für Dich eine Art persönlichen Aha-Moment?
Raphael: Da gabs vieler solcher Momente, besonders beim Kennenlernen meiner eigenen Person. Was ich hier aber erzählen möchte, ist, dass ich meinen Horizont sehr erweitern konnte: Ich habe verstanden, dass ich nicht alle Personen und deren persönliche Geschichte kenne und auch nicht kennen kann. Und genau hier setzt ein Verständnis und eine Offenheit ein bzw. sollte es. Genauso gibt es auf die meisten Situationen und Ereignisse meist nicht nur einen Blickwinkel in schwarz und weiß, sondern viele Facetten. Zu diesem Schluss bin ich im Laufe von vielen Gesprächen während des Jahres gekommen.
Welche Pläne hast Du für die Zeit jetzt danach?
Raphael: Bereits zuvor hatte ich ein großes Interesse an Wirtschaft, welches sich über das Coworker-Jahr weiter gefestigt hatte, weshalb ich mich jetzt gerade auf mein VWL-Studium in München vorbereite.
Danke für das Gespräch!
(Das Interview führte Karl-Olaf Bergmann)