Geistlicher und missionarischer Impuls zum Karsamstag (16. April 2022) von Bruder Rafael Böhm LC

Jesus ist das Leben selbst

Geistlicher und missionarischer Impuls zum Karsamstag (16. April 2022) von Bruder Rafael Böhm LC

Tiefes Schweigen herrscht heute auf der Erde, tiefes Schweigen und Einsamkeit. Tiefes Schweigen, weil der König ruht“ (Karsamstag, Lesehore: Aus einer Homilie am großen und heiligen Sabbat. Epiphanius zugeschrieben, † 535). All das Schöne und Große, was Jesus unter seinen Jüngern gewirkt hat, scheint vergessen. Verblasst ist es, angesichts der brutalen Realität seines Leidens und Sterbens. Er, der verlässliche Anker, der Bezugspunkt, der Meister. Er, der mit einem Wort alle Krankheiten und Leiden heilen konnte. Er, der den Blinden das Augenlicht wieder gab. Er, der Messias, die Erfüllung der Hoffnung Israels. Er, vor dem selbst der Tod weichen musste. Er hat uns verlassen. Seine Stimme schweigt. Er ist tot.

Ist er tot?Gott ist – als Mensch – gestorben, und die Unterwelt erbebt. Gott ist für kurze Zeit in Schlaf gesunken und hat die in der Welt des Todes auferweckt. Er geht auf die Suche nach dem erstgeschaffenen Menschen wie nach dem verlorenen Schaf. Besuchen will er, „die völlig in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes. Er kommt, um den gefangenen Adam und die mitgefangene Eva von ihren Schmerzen zu erlösen, er, zugleich Gott und der Eva Sohn“ (Karsamstag, Lesehore: Aus einer Homilie am großen und heiligen Sabbat, Epiphanius).
Unmerklich für das menschliche Auge nimmt heute die Erlösungstat Christi Gestalt an.Er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8). Unser König, Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, hat sich bis an den tiefsten Punkt der menschlichen Existenz begeben: bis in den Tod. Sein Hinabsteigen in die Unterwelt ist nicht noch „eine Stufe tiefer“, nein, es ist der erste Schritt seiner glorreichen Erhöhung, denn vor seinem Namen wir jedes Knie sich beugen (vgl. Phil 2,10) – angefangen in der Unterwelt.

Jesus ist das Leben selbst, welches nicht sterben kann. Auch wenn der Tod sich über einen vermeintlichen Sieg gefreut haben mag, Jesus war eine Nummer zu groß für ihn. Der Tod hat am Köder der menschlichen Natur Jesu angebissen, und dann aber die Gottheit gleich „mitverschluckt“. Das war sein Ende. Am Kreuz hat das Leben selbst den Tod erlitten, und damit dem Tod den Todesstoß gegeben. Jesus ist das Leben der Lebenden, und er ist das Leben der Toten.

Wir alle erfahren in unserem Leben immer wieder Leiden, Schmerzen und Tod, in vielfältiger Form. Ein Blick um uns herum reicht, um uns mit der bitteren Realität zu konfrontieren. Wer spürt nicht die Ohnmacht gegenüber einem grausamen Krieg? Gegenüber einer Pandemie? Die finanzielle Unsicherheit gegenüber der Zukunft? Den Zerfall der christlichen Gesellschaft und dem Bewusstsein, dass der Teufel selbst vor der Kirche nicht Halt macht. Die Angst kann uns die Kehle zuschnüren und manchmal möchte unser Herz unter der Last zusammenbrechen. Durch Leid und Sünde ist es vielleicht sogar buchstäblich tot.

Das Geheimnis des Karfreitags erinnert uns jedoch daran, dass Jesus uns gerade dann, wenn wir uns wie Adam in der Unterwelt befinden, bei der Hand nimmt, uns aufhebt und uns sagt: „Ich habe dich nicht geschaffen, damit du im Gefängnis der Unterwelt festgehalten wirst. Steh auf von den Toten! Ich bin das Leben der Toten. Steh auf, mein Geschöpf, […] erhebe dich, lass uns weggehen von hier! […] Mein Schlaf wird dich aus dem Schlaf der Totenwelt herausführen“ (Karsamstag, Lesehore: Aus einer Homilie am großen und heiligen Sabbat, Epiphanius).

Der König schweigt, er ruht. Es ist die Ruhe vor dem großen Sieg des Kreuzes. Die Unterwelt weiß das und erbebt. Mit ihm schweigen und ruhen auch wir, bereit, bei unserem König zu stehen, wenn er sich aus dem Grabe erhebt. „Wenn wir nämlich mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit ihm leben“ (2 Ti 2,11).

Gottes Segen, Euer Br. Rafael Böhm LC

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