„Tiefes Schweigen herrscht heute auf der Erde, tiefes Schweigen und Einsamkeit. Tiefes Schweigen, weil der König ruht“ (Karsamstag, Lesehore: Aus einer Homilie am großen und heiligen Sabbat. Epiphanius zugeschrieben, † 535). All das Schöne und Große, was Jesus unter seinen Jüngern gewirkt hat, scheint vergessen. Verblasst ist es, angesichts der brutalen Realität seines Leidens und Sterbens. Er, der verlässliche Anker, der Bezugspunkt, der Meister. Er, der mit einem Wort alle Krankheiten und Leiden heilen konnte. Er, der den Blinden das Augenlicht wieder gab. Er, der Messias, die Erfüllung der Hoffnung Israels. Er, vor dem selbst der Tod weichen musste. Er hat uns verlassen. Seine Stimme schweigt. Er ist tot.
Jesus ist das Leben selbst, welches nicht sterben kann. Auch wenn der Tod sich über einen vermeintlichen Sieg gefreut haben mag, Jesus war eine Nummer zu groß für ihn. Der Tod hat am Köder der menschlichen Natur Jesu angebissen, und dann aber die Gottheit gleich „mitverschluckt“. Das war sein Ende. Am Kreuz hat das Leben selbst den Tod erlitten, und damit dem Tod den Todesstoß gegeben. Jesus ist das Leben der Lebenden, und er ist das Leben der Toten.
Wir alle erfahren in unserem Leben immer wieder Leiden, Schmerzen und Tod, in vielfältiger Form. Ein Blick um uns herum reicht, um uns mit der bitteren Realität zu konfrontieren. Wer spürt nicht die Ohnmacht gegenüber einem grausamen Krieg? Gegenüber einer Pandemie? Die finanzielle Unsicherheit gegenüber der Zukunft? Den Zerfall der christlichen Gesellschaft und dem Bewusstsein, dass der Teufel selbst vor der Kirche nicht Halt macht. Die Angst kann uns die Kehle zuschnüren und manchmal möchte unser Herz unter der Last zusammenbrechen. Durch Leid und Sünde ist es vielleicht sogar buchstäblich tot.
Das Geheimnis des Karfreitags erinnert uns jedoch daran, dass Jesus uns gerade dann, wenn wir uns wie Adam in der Unterwelt befinden, bei der Hand nimmt, uns aufhebt und uns sagt: „Ich habe dich nicht geschaffen, damit du im Gefängnis der Unterwelt festgehalten wirst. Steh auf von den Toten! Ich bin das Leben der Toten. Steh auf, mein Geschöpf, […] erhebe dich, lass uns weggehen von hier! […] Mein Schlaf wird dich aus dem Schlaf der Totenwelt herausführen“ (Karsamstag, Lesehore: Aus einer Homilie am großen und heiligen Sabbat, Epiphanius).
Der König schweigt, er ruht. Es ist die Ruhe vor dem großen Sieg des Kreuzes. Die Unterwelt weiß das und erbebt. Mit ihm schweigen und ruhen auch wir, bereit, bei unserem König zu stehen, wenn er sich aus dem Grabe erhebt. „Wenn wir nämlich mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit ihm leben“ (2 Ti 2,11).
Gottes Segen, Euer Br. Rafael Böhm LC