Der liebe Großvater und der strafende Rächer. Das sind die beiden gegensätzlichen Bilder, die man von Gott haben könnte, wenn man die Lesungen der Messe von heute oberflächlich überfliegt. Denn einerseits sehen wir, wie Moses vom Herrn erwählt wird, um das Volk Israel vor den Ägyptern zu retten, und wie der Winzer die Fruchtlosigkeit des Feigenbaums anscheinend für nicht so tragisch hält. Andererseits ist von den Israeliten in der Wüste und von einigen Zeitgenossen Jesu die Rede, die angeblich wegen ihrer Bosheit durch göttliche Bestrafung umkommen mussten.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei geht, aber das Bild, das ich von Gott habe, sieht anders aus. Und jetzt, wo ich kurz vor der Priesterweihe stehe und meine eigene Geschichte nochmal genauer unter die Lupe genommen habe – mit Jesus an meiner Seite – hat sich mir dieses Bild noch tiefer eingeprägt. Zuerst durch familiäre Prägung und anschließend besonders durch die Camps, ECyD-Treffen etc. mit den Legionären Christi durfte ich Jesus als den einen Freund kennenlernen, dem ich extrem wichtig bin. Von Anfang an war ich mir natürlich meiner vielen Sünden bewusst, oft auch mit mentalen Selbstkasteiungen. Jedoch durfte ich ab der Zeit in der Apostolischen Schule und auch in den darauffolgenden Jahren immer mehr erfahren, wie Christus meine Sünden zwar ernst nimmt und sie ihm auch tatsächlich wehtun, er mir allerdings immer in großer Güte und voller Verständnis begegnet.
Und so ermöglicht sein Blick in mir, nicht mehr so sehr auf mich selbst und meine Schuld zu achten, sondern auf ihn, seine vergebende Liebe und seine Einladung zur Nachfolge. Deshalb fällt es mir inzwischen ein wenig leichter nachzuvollziehen, warum die Gebote zu halten sind, und es kommt eher mal vor, dass in meinem Herzen spontan der Wunsch entspringt, mich mehr in Liebe hinzugeben.
Zurück zu den heutigen Lesungen: Die Berufung des Moses offenbart eindeutig diese Einstellung Gottes, sich aus eigener Initiative heraus und voller Leidenschaft aufzumachen, um uns aus unserem Elend zu befreien. Und der Winzer gibt dem Feigenbaum eine neue Gelegenheit Frucht zu bringen, gerade weil er ihm so wichtig ist. Wenn dann in der zweiten Lesung und auch im Evangelium von den Folgen der Sünde der Menschen die Rede ist, dann nur aufgrund eben dieser selben Liebe. Gott möchte uns bewusst machen, dass unsere Sünde reale Konsequenzen hat, in diesem Leben und noch mehr im nächsten. Seine Absicht ist es, uns davor zu retten, aber dafür müssen wir uns erstmal retten lassen wollen! Und das ist der Gott, dem ich in meinem Leben begegnet bin.
Hoffentlich kann diese Fastenzeit eine Gelegenheit für uns sein, diesen Gott besser kennenzulernen und so voller Freude den Weg der Bekehrung hin zu seiner Liebe zu gehen.
Gottes Segen,
Euer P. Valentin Schmidts