Diesen Impuls für die Adventszeit schreibe ich der Mão-Amiga-Schule in Paranoá, einem Arbeitervorort von Brasilia, wo ich als Seelsorger seit drei Monaten viel Zeit unter den Kindergartenkindern und Schülern der Grundschule verbringe. Bei aller Unterschiedlichkeit der Umstände (hier endet gerade das Schuljahr und es ist Sommer), höre ich von den kleineren Kindern oft die Frage, die ich auch aus meiner Heimat kenne: Wann ist endlich Weihnachten? Warum muss ich noch so lange warten?
Ja, Warten ist schwer, auch für Erwachsene. In seelsorglichen Gesprächen geht es dabei nicht mehr um Puppen oder ferngesteuerte Autos, die sich Kinder unter dem Weihnachtsbaum erhoffen, sondern um die mühsame Überwindung einer geistlichen Trockenheit oder die seelische Not, weil sich ein erwachsener Sohn oder eine Tochter schon seit Jahren nicht mehr bei den Eltern gemeldet hat. Die wichtigsten Dinge in unserem Leben kann man nicht erzwingen oder im Internet bestellen, denn sie entziehen sich damit einem Leitsatz unserer Konsumgesellschaft: „Ich will alles und das sofort“. Der Advent kann uns helfen, den Sinn des Wartens besser zu verstehen und die Zeit des Wartens zu nutzen.
Den Kindern sage ich manchmal, dass wir noch auf Weihnachten warten müssen, weil die Geschenke noch nicht fertig sind. Das gilt auch für viele Situationen in unserem Leben: Für die erste Bergbesteigung im Frühling, müssen wir warten, bis der Schnee geschmolzen ist. Eine Frucht muss am Baum über Wochen reifen und der Kuchen kommt erst aus dem Backrohr, wenn der Teig ganz durchgebacken ist. Und selbst wenn das Weihnachtsgeschenk schon fertig verpackt auf der obersten Ablage im Kleiderschrank der Eltern steht, würde ein vorzeitiges eigenmächtiges Zugreifen das Geschenk als solches zerstören, denn was ich mir nehme, ist kein Geschenk mehr. Papst Johannes Paul II. entfaltet diesen Gedanken sehr schön auch im Hinblick auf die gegenseitige leibliche Hingabe von Mann und Frau, die nur zur rechten Zeit und in Freiheit ein wahres Geschenk ist.
Das richtige Warten mehrt auch unsere Wertschätzung für ein Geschenk. Wenn ich etwas sofort haben kann, ist es auch schnell wieder vorbei, ohne dass ich es wirklich genossen hätte. Das Warten vermehrt die Sehnsucht und die hoffnungsvolle Sehnsucht nach der Begegnung und Vereinigung mit Gott, ist eines der schönsten Gebete. „Auf dich hoffe ich den ganzen Tag“, betet der Psalmist (Ps 25, 5) und der hl. Augustinus schreibt in einer Psalmauslegung: „Willst du ohne Unterlass beten, dann höre nicht auf, dich zu sehnen“.
Sehnsucht ist jedoch ein tiefes Verlangen nach etwas, das uns fehlt, und dieses Fehlen ist nicht angenehm. Wir brauchen Geduld um die Versuchung zu überwinden, diese Leere einfach irgendwie auszufüllen, denn dadurch würden wir unfähig, das Geschenk anzunehmen und zu genießen. Ein Vortragender hat dafür das Bild gebraucht, dass jemand, der auf dem Weg zu einer Einladung in einem feinen Sternerestaurant sich den Magen mit Pommes und Currywurst vollschlägt, auch das beste Galadiner nicht mehr genießen kann.
Auch deshalb geht Ostern (und bei den Orthodoxen auch Weihnachten) eine Fastenzeit voraus, die neben den Speisen auch den Medienkonsum und andere Ablenkungen einschränken sollte. Wenn wir den Stern von Bethlehem sehen wollen, müssen wir das künstliche Neonlicht ausschalten und die Dunkelheit ertragen, bis unsere Augen den Sternenhimmel sehen können.
Die Zeit des Wartens ist schließlich auch eine Gelegenheit zur Vorbereitung. In unserer Schule haben im vergangenen Monat eine Reihe von Kindern ihre Erstkommunion gefeiert, manche auch ihre Taufe. Die Katechese davor war intensiv, die erste Beichte aufrichtig und die guten Werke zahlreich. Das gesammelte Gebet und die strahlenden Gesichter nach dem Kommunionempfang zeigten dann, dass sie Jesus fest in ihr Herz geschlossen hatten.
Das wünsche ich uns allen: „Der Herr lasse euch wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen […], damit eure Herzen gestärkt werden und ihr ohne Tadel seid, geheiligt vor Gott, unserem Vater, bei der Ankunft Jesu, unseres Herrn“ (1 Thess 3,12-13).
Euer P. Andreas Schöggl LC,
Schulseelsorger in Brasilia