P. George Elsbett LC (Leiter des „Zentrum Johannes Paul II“ des Regnum Christi in Wien) hat kürzlich in den Bergen von Zermatt versucht, sich auf einen solchen besonderen Urlaub „nur“ mit Gott einzulassen. Als Grundlage diente ihm das Buch „A vacation with God“ von P. Green. Im folgenden Tagebuch teilt er mit, was mit ihm dort geschehen ist, welche Erkenntnisse ihm geschenkt worden sind, was sich verändert hat. Wie beispielsweise das einfachste Gebet lautet, das man immer und überall sprechen kann. Oder zu überlegen, wie Gott einen sieht. Oder darauf zu blicken, wohin man im Alltag immer wieder abdriftet. Oder was geschieht, wenn ich mich IHM zur Verfügung stelle.
„Meine Hoffnung ist es, dass diese Schilderung andere dazu ermutigt, selbst immer wieder mal einen solchen Urlaub anzustreben“, sagt Pater George und versichert: „Selbst wenn dieser vielleicht nur ein paar Stunden dauern sollte: Es lohnt sich!“
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Innere Freiheit als Fundament für Beziehung und Liebe. Verfügbarkeit als Bedingung für die Möglichkeit, die Stimme Gottes von anderen Stimmen unterscheiden zu können. Eine klare Idee von „Wer ich bin in Gottes Augen?“. Ein gesundes Gottesbild. Wirkliches Bereitsein, sich in den Spiegel zu schauen. Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen – als Quelle von Sinn und Zeichen einer reifen Liebe. Die Begegnung mit Jesus Christus als Ausgangspunkt für das gesamte christliche Leben.
Wir haben im Zentrum Johannes Paul II. am 4. September die Predigtserie „Basics“ gestartet, um genau über diese Themen zu reflektieren. Aber ich darf dieses Jahr auch länger für mich persönlich darüber nachdenken. Und zwar während meiner achttägigen Schweige-Exerzitien, die ich dieses Mal nicht in einem Kloster, sondern im Kanton Wallis in der Schweiz verbringen darf.
Was brauche ich für diesen Weg, was lasse ich zurück?
Erst mal alles Essen noch in Österreich kaufen, da es in der Schweiz doch sehr teuer ist. Und gut überlegen, was ich für die Reise brauche. Hier im Bild mal das Wesentliche: Bergstiefel, Steigeisen, Messkoffer mit Messgewand usw., Biwaksack und Regenponcho zusammengewickelt, Gaskartuschen & Gaskocher, Fertigessen, Gewand, Daunenjacke, Bibel, mein Exerzitienbegleiter „A vacation with God“ (geniales Buch von P. Thomas H. Green, S. J., über die ignatianischen Exerzitien, auf acht Tage aufgebaut).
Vorbereitung. Wenn ich ein „Nachfolger Jesu“ sein will, dann muss ich gut überlegen, was ich dafür brauche, was besser im Tal bleibt oder erst gar nicht im Auto mitgenommen wird. Was ist das „eine Notwendige“, was macht mich unfrei oder belastet nur? Und zugleich: Was braucht es, um diesen Weg gehen zu können?
In Gottes Gegenwart sein.
Heute kann ich erst am späteren Nachmittag Richtung Platthorn (3.345 Meter) losgehen. Um 20:30 Uhr erreiche ich ein Plateau auf 2.800 m, auf dem ich meinen Biwaksack auf flachem Boden auslegen kann. In der Nacht würde die Temperatur bis zum Gefrierpunkt fallen, vernahm ich. Wenn man kein Zelt dabeihat, ist es am wichtigsten, dass die Feuchtigkeit draußen am Biwaksack hängen bleibt und nicht in den Schlafsack eindringt.
Bergaufwärts bete ich gerne den Rosenkranz und ein „einfaches“ Jesusgebet: „Jesus“ beim Einatmen, „Christus“ beim Ausatmen. Großartige Gedanken sind bei der Anstrengung nicht darunter, aber es geht darum, in seiner Gegenwart zu sein. Und ich habe eine große Bitte für den ersten Tag. Der hl. Ignatius von Loyola misst der gesuchten Frucht des Gebetes sehr viel bei. Thomas Green schlägt in seinem Kommentar vor, für jeden Tag der Exerzitien jeweils nur eine einzige Frucht zu suchen. Ich finde diesen Rat sehr hilfreich. Letztlich ist alles ein Geschenk des Himmels. Gebet ist kein menschliches Unterfangen, durch das ich versuche, mich selbst von etwas zu überzeugen. Es geht darum, etwas zu suchen, was man eben selbst nicht ohne Hilfe Gottes erreichen kann.
Nun gut, die Frucht des ersten Tages ist sehr einfach: eine neue Überzeugung und vor allem eine Erfahrung davon, dass ich von Gott geliebt bin. Das ist das Fundament, auf dem das gesamte christliche Leben steht. Wenn das klar ist, wenn das hält, dann kann kommen, was kommen mag, ich bin geborgen, es wird mich nichts umhauen. Für mich kommt dieses Gnadengeschenk heute erstaunlich schnell. Die Bibelstelle, die mich heute begleitet, ist Epheser 3,17-19: „Durch den Glauben wohne Christus in euren Herzen, in der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet. So sollt ihr mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu erkennen, die alle Erkenntnis übersteigt.“
Keine lange Betrachtung. Ich habe sie nur einmal gelesen, sie ist in mich hineingefahren, aber auch nicht wie ein Sturmwind, sondern ganz sanft und friedvoll, eine tiefe Überzeugung, die nicht von mir selbst kam, die ich mir nicht selbst gegeben hatte: er liebt mich. Danke, Herr! Vielleicht wird dies das größte Geschenk dieser Exerzitien sein.
Gott liebt mich!
Das „Prinzip und Fundament“ meines Lebens ist: Gott liebt mich! Das darf ich heute den ganzen Tag vertiefen. Ich habe kein Problem damit zu sagen: Gott ist Liebe. Ich habe im Laufe meines Lebens aber immer wieder gemerkt, dass ich das intellektuell zwar irgendwie nachvollziehen kann, doch alle möglichen Stimmen versuchen mir das auszureden, wenn es ums „Mich“ geht. Also, wer von euch kann in der Früh in den Spiegel schauen und ohne irgendwelche Zweifel diesen Satz „Gott liebt mich! bejahen? Es ist vermutlich die größte Versuchung für den Menschen, genau das anzuzweifeln.
Heute darf ich die Sätze in Eph 3,17-19 von gestern noch mehr vertiefen und „verkosten“. Das ist übrigens eine ganz alte Gebetsform, die auf die Wüstenväter aus dem 1. bis 5. Jahrhundert zurückgeht: der inneren Selbstanklage, dem Zweifel, den falschen Gottesbildern das Wort der Heiligen Schrift entgegenzuhalten. Zum Beispiel dann, wenn man an der Liebe Gottes zweifelt, einfach immer wieder langsam im Gebet und im Glauben einen Satz aus der Heiligen Schrift, der die Glaubenswahrheit neu bestätigt, wiederholen. Denn das Wort Gottes ist machtvoll. Gottes Wort ist so anders! Es hat die Fähigkeit, uns zu bestärken, zu trösten, zu heilen, uns zu erheben und zu beleben.
Was mag Gott an mir, was nicht?
Die meisten Menschen können erst ordentlich zuhören, nachdem sie geredet haben. Daher diese Übung. Erstmal alles, aber wirklich alles aufschreiben, was Gott vermutlich an mir mag. Und nach einer kurzen Pause nochmal alles, aber wirklich alles aufschreiben, was Gott an mir vermutlich nicht so mag. Und nach einer kurzen Pause das zu bewerten versuchen: Was ist ihm wichtiger, was weniger? Damit verbringe ich meinen gesamten Vormittag, dieses Mal aber nicht beim Hinaufgehen auf den Berg, sondern vor dem Herrn in der Kirche in Zermatt. Jetzt sage ich ihm wirklich alles, was ich sagen kann: „Herr, du siehst mich jetzt vor dir. Ich denke, ich habe alles aufgeschrieben, was du an mir gut findest. Aber eben auch alles, was du an mir nicht magst, wo ich Bekehrung brauche oder was bei mir einfach nicht das Gelbe vom Ei ist.“ Dann kommt aber erst das eigentliche Gebet.
Dafür habe ich mir am Nachmittag eine Route ausgesucht, einen Weg von 18 Kilometern Länge, aber mit nur 700 Höhenmetern, am Fuß des Matterhorns. Und der Inhalt des Gebets ist einfach: „Herr, ich habe dir jetzt alles gesagt, was ich sagen kann. Siehst Du das auch so?“ Das ist eine sehr gute Frage. Denn wir können sehr wohl unsere Meinungen darüber haben, was der Herr an uns so mag oder auch nicht. Wie sieht er mich denn eigentlich, wenn er auf mich schaut? Was will er mir sagen?
Alles hängt von seiner Gnade ab
Die Herausforderung ist heute kein hoher Berg, sondern es sind die kleinen Unannehmlichkeiten: Die Hose reißt an einem Ast auf und ich habe das Nähzeug vergessen. Ich muss wegen des Wetters ein wenig umdisponieren. Eigentlich sind das alles Kleinigkeiten, die einen dennoch sticheln und schnell vom Eigentlichen abhalten können.
Am Vormittag geht es darum, anhand von Röm 7 und 8 zu erkennen, dass alles von seiner Gnade abhängt, dass es in mir gewisse Dinge gibt, die ich ohne ihn nicht ändern kann. Das habe ich heute zum ersten Mal so tief als ein Ganzes verstanden. Ja es stimmt: „Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will“ (Röm 7,19) – das ist eine sehr menschliche Erfahrung. Aber das ist nicht das letzte Wort über den Menschen. Röm 8 ist die Antwort. Christlicher Glaube ist nicht eine Moralvorschrift, wo ein hohes Ideal vorgestellt wird, aber wo man am Ende doch alles selbst machen muss. Nein, genau das ist es eben nicht.
Die Befähigung zu einem Leben, über das rein Menschenmögliche hinaus, wird durch den Geist in mir real bewirkt. Das heißt, die Beziehung mit Jesus Christus macht wirklich etwas mit mir, verwandelt mich auf reale Weise, lässt mich wirklich am göttlichen Leben teilhaben und befähigt mich daher zu einem göttlichen Handeln.
Zugleich habe ich tiefer erfassen dürfen, dass alles Gnade ist und nicht einfach Resultat meines Bemühens, das ein wenig von Ihm unterstützt wird, sondern dass es eher andersherum ist: Alles ist Gnade und ich darf mitmachen. Man sollte in den Exerzitien nicht weitergehen, bevor man die „Frucht“ des Tages nicht erreicht hat. Das ist bei mir am frühen Nachmittag der Fall, wenigstens so, dass ich sagen kann: Jetzt gehe ich weiter!
Jesus Christus, Herr meines Lebens
Ich kann heute 21 km entlang der Grenze Schweiz-Italien gehen. Auf einem Plateau von ca. 2900m, nach einem Aufstieg von 1450 Höhenmetern. Am Fuß des 4.164m hohen Breithorns, auf dessen Gipfel ich mal die kälteste und vielleicht beeindruckendste Messe meines Lebens feiern durfte.
Mit meinem Thema heute bin ich schon inmitten der „2. Woche“ der Exerzitien, wo es darum geht, Jesus Christus als Herrn des eigenen Lebens anzuerkennen und anzunehmen beziehungsweise diese Zusage zu erneuern. Inmitten dieser Woche erscheint die Meditation von den beiden Fahnen oder Bannern – der Vergleich kommt aus der mittelalterlichen Schlachtführung, wo diese Banner eine essenzielle Bedeutung hatten, da der Einzelne die eigene Position im Heer in Bezug auf die Fahne einnahm. In dieser Betrachtung geht es nicht so sehr um die Entscheidung zwischen Jesus und dem Widersacher, da diese zu diesem Zeitpunkt der Exerzitien schon längst gefallen ist, sondern um „Unterscheidung.“ Es tut gut, immer wieder mal hinaufzuschauen, unter wessen Banner ich eigentlich gerade „kämpfe“.
Es ist gar nicht so schwierig, in das Lager des Feindes abzudriften, vielleicht sogar öfters an einem Tag. Sein Programm heißt Macht, Geld, Position, Geltung. Jesus hat ein anderes: Demut, Armut, Dienst.
Heute geht es noch mal darum, näher darauf hinzuschauen, wohin ich abdrifte. Hilfreich für mich finde ich dabei bei Johannes die Kapitel 5, 7 und 8. Hilfreich kann da auch die Frage sein, warum der Herr Trostlosigkeit (innere Unruhe, Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Entmutigung) zulässt. Zum einen könnte er mich wachrütteln, weil ich nachlässig geworden bin, zum anderen könnte es aber auch sein, dass eine innere Unfreiheit vorliegt und ich gerade geschliffen werde. Es geht um eine Reinigung der Liebe, da lohnt es sich, näher auf diese Unfreiheit hinzuschauen.
Bin ich innerlich frei, um zu lieben?
Das Thema heute: die Verfügbarkeit. Gibt es etwas, was ich dem Herrn nicht geben würde? Bin ich innerlich frei, um zu lieben? Eine kleine „Bekehrung“ heute ist es, mein Breviergebet von 1,5-facher Geschwindigkeit auf eine einfache zu reduzieren, denn es tut gut, dem Gebet Zeit zu schenken. Den Vormittag verbringe ich damit, über dieses Verfügbarkeitsthema zu reflektieren. Weiter komme ich nicht. Weil ich an nichts denken kann, was ich ihm nicht geben würde, wenigstens in der Theorie nicht. Demut und Dankbarkeit sind also geboten. Anderseits wird mir vor Augen geführt, wie unzulänglich ich in vielen Bereichen bin. Und das führt zu einem Moment der „Trostlosigkeit“. Ein Gedanke von Pater Green in seinem Buch über die Exerzitien: „Was ist das eine Wort, das der Herr mir in diesen Exerzitien sagen will?“ Normalerweise geht es dem Herrn darum, mir eine Sache mitzugeben.
Die Revision meiner Notizen während der Exerzitien verschafft dann etwas mehr Klarheit. Interessant, wie der Herr uns führt. Zuweilen spricht er sehr klar. Manchmal aber bittet er uns, mehr den Verstand einzusetzen und darauf zu vertrauen, dass er uns sehr wohl schon führt. Aber auch dann kann es guttun, ihn zu bitten, unsere Entscheidungen und Unterscheidungen zu bestätigen. Wenn wir offen sind für das, was er will, wird diese Bestätigung oft durch einen tiefen Frieden kommen. Unfriede ist eher ein Zeichen des Ungeistes, wenn wir nicht aufrecht versuchen, den Weg mit dem Herrn zu gehen.
Freiheit gegenüber allem, was nicht Gott ist
Im Gebet beschließe ich, nicht zu „Tag 7“ der Exerzitien zu wechseln, da ich immer noch versuche, Klarheit über „das Wort“ zu gewinnen, das er mir in diesen Exerzitien schenken will. Ich verlangsame das Breviergebet, wie schon die letzten Tagen und das hilft mir, mich besser zu konzentrieren. Das Jesusgebet während meiner Gebetszeit verläuft auch gut. Ich habe diesen Gedanken, dass mir der Herr heute über die Passionsgeschichte vielleicht nicht mehr erzählen will, also denke ich, dass ich mich deshalb dem Jesusgebet zuwende.
Beim Abstieg vom Riffelhorn versuche ich, weniger auf die Berge zu schauen, weil ich abgelenkt werde. Sogar das Allerschönste kann ein Götze werden. Es geht um die Freiheit gegenüber allem, was nicht Gott ist, zu bewahren, auch wenn es nur eine Gletscheransicht ist. Bitte, nicht falsch verstehen: Berge sind für mich nach wie vor einer der vorzüglichsten Poeten über deren Schöpfer. Es geht aber darum, ein Gespür dafür zu entwickeln, wo Unfreiheit in mir entsteht. In der bewussten oder unbewussten Suche nach Gott kann alles zu einer Droge werden, sogar die Geschenke Gottes selbst. Gott ist nicht der Berg selbst, oder das schöne Gefühl bei der Anbetung, oder die Freude, die ich empfinde, wenn ich von mir selbst wegschaue. Das darf ich heute wieder tiefer erfahren.
Alles ist in Gott
Heute ist mein letzter voller Tag. Ein letzter Aufstieg. Der eigentliche „Berg“ ist ja Gott selbst. Der Aufstieg zu ihm ist das Größte, Schönste und Erfüllendste und Schwierigste und uns immer wieder Überfordernde. Und zugleich das, was sich mehr lohnt als alles andere, womit alle anderen Aufstiege in Einklang sein müssen, wenn sie ihre Sinnhaftigkeit nicht verlieren wollen. An diesem letzten Tag geht es zurück zum Kern. Man fleht zum Herrn, dass er das Feuer der Liebe entzünde. Im Gebet geht es darum, die Wohltaten und Geschenke des Herrn zu betrachten, sich deren bewusst zu werden und das Geschenk zu erbitten, dass mich das nicht einfach kaltlässt, sondern nachhaltig in seiner Liebe verankert.
Das Ganze ruft zwei Erinnerungen wach. Erstens: Die Liebe zeigt sich in Taten. Reden und auch Emotion bedeuten wenig, wenn sie nicht zur Tat werden. Zweitens: Liebe basiert auf Austausch von dem, was man hat und ist. Und die höchste Form der Liebe besteht darin, vorrangig das Gute für den Anderen zu wollen. Gott gibt uns alles, was er hat („Wenn Gott gibt, gibt er nur sich selbst“, Benedikt XVI.) Von hier kommt das bekannte Gebet des hl. Ignatius von Loyola: „Nimm hin, oh Herr, meine ganze Freiheit. Nimm an mein Gedächtnis, meinen Verstand, meinen ganzen Willen. Was ich habe und besitze hast du mir geschenkt. Ich gebe es dir zurück und überlasse alles dir, dass du es lenkst nach deinem Willen. Nur deine Liebe schenke mir mit deiner Gnade. Dann bin ich reich genug und suche nichts weiter.“
Aber Gott schenkt uns nicht nur alles, er ist in allem, erhält alles im Dasein, wirkt in allem und es ist ein großes Geschenk, das zu erkennen und zu sehen. Aber Gott ist und wirkt nicht nur in allem, sondern man könnte es umgekehrt noch genauer ausdrücken: Alles ist in Gott, auch ich in meiner Unzulänglichkeit. Ich kann nicht behaupten, dass ich in dieser Form der Betrachtung, „alles in Gott zu sehen“, sehr weit bin, erahne aber, dass hier eine unglaubliche Tiefe ist, die das unerschütterliche Vertrauen, die nicht zu übertreffende Geborgenheit, den jeglichen Nebel durchdringenden Glauben, die umwerfende Liebe solcher Menschen, die ich als Heilige beschreiben würde, erklärt.
Er ruft mich, ich stelle mich zur Verfügung
Die Darstellung des Dialogs zwischen dem Engel und Maria in der Kirche von Zermatt ist das Bild, das mich während meiner gesamten Exerzitien am meisten berührt und begleitet hat. Denn die unendliche Entfernung zwischen Himmel und Erde wird dadurch überbrückt. Die gesamte Wirklichkeit hängt an diesem Dialog. Denn durch das „Ecce“ Gottes und dem „Fiat“ Mariens entsteht inmitten eines leeren Raumes Eucharistie, also Jesus Christus selbst, der Mensch gewordene Gott, angezeigt inmitten des Kirchenschiffes durch den Tabernakel. Und dadurch letztlich alles andere: Kreuz, Auferstehung, Erlösung, aber eben noch weitergedacht, die Welt selbst, das Universum, denn alles ist „durch ihn und auf ihn geschaffen“.
Die Welt hätte ohne ihn keinen Sinn und würde ins Nichts verfallen, ins Leere eben. Daher ist Maria eine Schlüsselfigur. Daher ist Kirche immer marianisch. Deswegen ist die Dimension des „Mir geschehe!“ grundlegend für die Heimholung der Welt in Gott, für Jüngerschaft, für Mission. Jüngerschaft fängt immer so an und hat in ihr seinen inneren Kern: Er ruft mich, ich stelle mich zur Verfügung. Der Festtag am 15. September (für unsere Ordensgemeinschaft der Legionäre Christi ganz besonders, da der Orden der „schmerzhaften Muttergottes“ geweiht ist, aber auch für unsere gesamte Regnum-Christi-Familie) steht fest in dieser Logik. Inmitten anscheinender Leere, sinnlosem Leiden, anscheinendem Scheitern und unendlichem Schmerz erschallt weiterhin ihr „Fiat“, wird der Himmel durchbohrt und eröffnet. Rettendes Wasser und Blut entströmen dieser Quelle und schenken einer toten Welt das Leben. Durch die Flut dieser Taufe entsteht neues Leben, neue Schöpfung, eine neue Welt. Kirche entsteht und steht mit ihr da.
Maria! Lehre mich einstimmen in dein Wort, dein Fiat, dein Ja. Sodass er durch uns wirke, Heil sein kann, Leben entstehe!