Am 9. September weihte der Passauer Bischof Stefan Oster in der Benediktinerabtei Schweiklberg in Vilshofen zwei junge Männer zu Diakonen. Einer davon ist Rafael Maria Böhm LC (Online-Foto-Album hier). An diesem „Freudentag“ stellte Bischof Stefan die Frage nach dem Evangelium: Was ist das Evangelium im Kern? Nur ein Buch zur Wertevermittlung? Oder steht dahinter vielleicht sogar mehr, was mein ganzes Leben verändern könnte? (Hören Sie mehr dazu in der Predigt – hier zum Nachhören.) Unmittelbar danach blickte P. Rafael im Interview mit Franz Schöffmann auf diesen erhabenen Moment und seinen herausfordernden Berufungsweg.
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Pater Rafael, wie haben Sie die Weihe erlebt?
P. Rafael: Es ist es ein starkes Symbol, dass man beim Wortgottesdienst unten beginnt, im Volk sitzt und dann diesen Schritt nach oben tut, das wird durch die Schritte über die Stufen hoch in den Altarraum ganz deutlich. Man wird vom Bischof aufgerufen, tritt für die Versprechen hoch, stellt sich bereit und sitzt nach der Einkleidung hinter dem Altar. Durch den Standeswechsel zu den Klerikern, wie der Bischof gesagt hat, ist dein Standort in der Liturgie ein anderer. Dieser Wechsel der Perspektive ist krass. Die Feier, die Weihe, alles war sehr erhaben. Durch diese große Liturgie der Kirche, deren Teil wir sind, durch diese himmlische Liturgie, wo unsere menschliche Liturgie Teil ist, das war schon ein starkes Gefühl. Das ist so ein Moment, wo der Himmel sich öffnet.
Der Himmel öffnet sich bei jeder Messe …
P. Rafael: Sicher, aber bei der Weihe ist man ganz anders zugegen, diese Messe war sehr ergreifend. Auch wenn man zwischendurch immer wieder auch an praktische Sachen denkt, doch die Zeremoniare haben uns beide die vergangenen Tage super durchgecoacht, dann kann man alles ruhig durchgehen und wirken lassen.
Bischof Stefan Oster hat in seiner Predigt erwähnt, dass für Sie die Dimension des Heiler-Werdens ein wichtiger Punkt in der Berufungsgeschichte sei – und Ihnen gewünscht, dass Sie ein Diener des Heiler-Werdens für die Menschen sein können.
P. Rafael: Ja, hierbei handelt es sich um eine Dynamik, die ich mit der Zeit immer klarer in meinem Leben festgestellt habe … Das Heiler-Werden ist in meiner persönlichen Geschichte sehr verankert. Das spiegelt sich aber auch in vielen Geschichten und Menschenherzen wider, in unserer Gemeinschaft, in unserer geistlichen Familie. Ich beschreibe es jetzt einmal an Jesus selbst, wie seine Wunden nach der Auferstehung als glorreiche Erkennungsmerkmale bestehen bleiben. Daran wird er erkannt. Es ist diese Erfahrung, dass die barmherzige Liebe des Vaters uns nicht nur heilt, sondern zur Fülle führt. Es ist ein Heilen, das kein Wegradieren ist, sondern glorreich verklärt und zur Fülle bringt. Das ist eine Erfahrung in meinem Leben, vielfach und durch den ganzen Prozess der ganzen Ausbildung hindurch, wo Gott Vater eben dieses heilende und Heiligende im Leben vollbringt und zur Fülle führt – und dann auch in anderen. Und das Menschenherzen in der Berührung mit ihm und seiner Liebe zur Fülle finden. Das ist ein Prozess, der das ganze Leben nicht abgeschlossen sein wird, aber dieses Ziel, dieser Ankerpunkt am Horizont, der ist in meinem Leben immer klarer hervorgetreten. Und auch der Ruf, teilzuhaben an der Befreiung, an der Heilung von Menschen und Herzen, hin zu dieser Begegnung mit Jesus.
Bei Ihnen ist vieles heil geworden?
P. Rafael: Ja, vieles war verwundet, bewusst oder unbewusst, aus der Kindheit, von der Familie her, im Berufungsweg, in der Ordensgemeinschaft, in den letzten Jahren, auch jetzt unmittelbar, eigentlich immer. Es ist ein ständiges Hin und Her, das ist unserer menschlichen Natur zu eigen. Es ist diese ständige Dynamik von Tod und Auferstehung, die sich im Kleinen widerspiegelt und im Alltag erfahrbar wird. Man spricht ja nicht umsonst vom geistlichen Kampf …
Das würde man fürs Erste bei Ihnen nicht vermuten, eher den Strahlemann.
P. Rafael: Danke, das bin ich aber nicht. Nicht immer … Ich hoffe, dass das, was ausstrahlt, nicht der persönliche Erfolg ist, sondern die Kraft, die mich bewegt, eine, die mich zu dieser Fülle hinzieht. Wie ein Magnet, der mich vom Horizont her anzieht. Wenn das die Kraft ist, die bei mir sichtbar wird: Gepriesen sei der Herr!
Aus eigener Kraft, nein, das wäre Fake. In erster Linie ist diese Kraft tatsächlich eine sehr spürbare Gnade der Weihe an Gott, der Gelübde an Gott im Orden. Mit der Profess übernimmt Gott auch ganz aktiv seinen Part im Leben einer Person, die sich ihm hinschenkt. Gott schenkt dir diese Kraft, wie ein Same, der im Herzen dann auch Frucht bringt, der aber natürlich gepflegt werden will, das merke ich deutlich, bei allem, was Gebet ist. Zeit, die ich alleine mit mir und meinem Herzen verbringen kann und dort Gott begegne, ohne da etwas tun oder machen zu müssen. Dieses zwecklose Gebet, das Verweilen-Können, die Stille.
Haben Sie bei all diesen Prozessen des Heiler-Werdens mit Gott auch mal gehadert?
P. Rafael: Ja, auch jetzt gerade bin ich zugegebenermaßen in bestimmten Dingen am Hadern. Das ist normal in einer Beziehung, wenn es nicht so wäre, liefe etwas falsch, denke ich. Aber dieses gelegentliche Hadern muss der Grundtreue ja nichts wegnehmen. Mein grundsätzliches „Ja“ muss viel tiefer reichen. Hoffentlich reicht es stets tiefer als die Umstände, selbst wenn es gravierende sind.
Veränderte sich durch dieses Heiler-Werdens, dieses Gezogen-Werdens zur Fülle, etwas in Ihrer Umgebung?
P. Rafael: Die ganze Familie hängt da immer mit drinnen, eine solche Entscheidung wie meine macht dich ja irgendwie zur öffentlichen Person. Da hat dann jeder um mich seinen eigenen Weg zu gehen, den ich für andere nicht gehen kann. In der Familie sind wir sehr unterschiedlich auf dem Weg. 2005 bin ich in die Apostolische Schule gekommen, 2014 habe ich die Profess abgelegt, das ist doch schon einige Jahre her, da hat sich bei jedem viel getan. Aber es ist sicher noch viel Weg zu gehen.
Kann man daraus schließen, dass Sie mit Ihrer Entscheidung, Jesu Ruf zu folgen, mutig waren?
P. Rafael: Wahrscheinlich habe ich in diesem Moment die Tragweite meiner Entscheidung nicht abschätzen können und das war auch gut so (lacht). Wenn ich damals bestimmte Dinge, die dann nachher passiert sind, gewusst hätte, wäre ich den Weg nicht gegangen, ganz ehrlich. Aber die Dinge ergeben sich dann Gott sei Dank Stück für Stück. Ich gehe davon aus, dass es auch bei anderen so ist.
Jesu Nachfolge ist herausfordernd …
P. Rafael: Ich denke schon, Jesu Versprechen aus dem Evangelium sind alle real. Sein Kreuz auf sich zu nehmen kommt nicht von ungefähr, aber auch nicht das Fruchtbringen 60-fach oder 100-fach. Wie das ganze Evangelium um ihn, seine Person kreist, so muss nachher dein ganzes Leben um ihn, seine Person kreisen, eins zu werden mit ihm. Dann bist du wieder an diesem Beziehungspunkt: In einer Beziehung gibt es viele Elemente, die dir besser gefallen, mit denen du leichter klarkommst – oder solche, die dir nicht gefallen oder mit denen du nur schwer klarkommst. Aber es geht nicht um Letztere, sobald du dich darauf fokussierst, kommst du in die Krise. Das gilt wahrscheinlich für jede Beziehung. Wenn aber die Dinge im Zentrum stehen, um die es im Kern geht, in meinem Fall als Gottgeweihter Jesus Christus vollkommen in meiner Mitte steht, nur dann hast du die Möglichkeit, dass alles geordnet in deinem Herzen wächst.
Wie blicken Sie als geweihter Diakon auf das Jahr zur Priesterweihe hin?
P. Rafael: Auf der einen Seite sorgenvoll, auf der anderen froh. Froh, weil der Tag der Weihe zum Diakon eine große Gnade ist. Meine Erfahrung mit vergleichbaren Tagen, beispielsweise die Ewige Profess, sagt mir: Aus persönlicher Hingabe erwachsen immer Früchte. Welche, kann ich zwar nicht abschätzen, aber im Glauben und Vertrauen weiß ich, dass die kommen und sich entwickeln werden. Sorgenvoll, weil die Herausforderungen als Diakon, als angehender Priester und in der neuen Mission einfach gewaltig sind, sodass das kleine Pflänzchen echt auch kaputtgehen könnte. Leider habe ich das in der Vergangenheit bei Mitbrüdern schon beobachten müssen… Ich wünsche mir natürlich nicht, dass die Innerlichkeit und die Herzensinnigkeit darunter leiden, dass ich den äußeren Bedingungen – raus aus dem Studium, rein in die neue Mission als Vizerektor in der Apostolischen Schule mit all den gigantischen Herausforderungen – nicht gewachsen bin. In den ersten Wochen bin ich schon an oder über meine Grenzen gekommen. Ich spüre allerdings auch, dass die Pädagogik Gottes schon irgendwo greift und daher hoffe ich, dass dieses Jahr zur Priesterweihe hin ein Jahr des Wachstums wird und sich etwas entfalten kann, dass Platz dafür ist. Ich schwanke so ein bisschen zwischen diesen beiden Polen, es ist eine spannende Zeit.
Dankesworte von Pater Rafael
„Neben all den Menschen, die mich an diesem Tag begleitet haben, danke ich vor allem meinem Mitweihekandidaten Pater Johannes [Strahl OSB], weil er vor der Weihe die komplette organisatorische Arbeit gestemmt hat. Ich bin sozusagen auf den schon fahrenden Zug aufgesprungen, die Benediktiner haben mich ganz unkompliziert mitgenommen. Pater Johannes hat sich in den Tagen vor der Weihe unglaublich aufmerksam persönlich um mich gekümmert. Ich danke auch Prioradministrator Pater Richard Multerer OSB und der gesamten Klostergemeinschaft Schweiklberg für die herzliche Aufnahme, die sprichwörtliche benediktinische Gastfreundschaft, das Mitleben in der Stille, im Klosterrhythmus und Stundengebet. Dort in den Tagen vor der Weihe dabei zu sein hat richtig gutgetan!“
Zur Person
Rafael Maria Böhm LC, geboren 1992 in Herford, hat eine jüngere Schwester und wuchs im Allgäu auf. Schon früh kam er mit Musik und handwerklicher Arbeit in Kontakt. Mit 12 Jahren ging er an die Apostolische Schule der Legionäre Christi nach Frankreich und wechselte vier Jahre später nach Deutschland, wo er auch das Abitur ablegte. Im September 2012 trat er ins Noviziat der Legionäre Christi ein, wo er nach zwei Jahren das erste Mal die Profess ablegte. Nach dem Studium der Philosophie in Rom und einem Apostolischen Praktikum an der Apostolischen Schule in Bad Münstereifel studierte er, auf dem Weg zur Diakon- und Priesterweihe, in Rom Theologie. Seit Beginn des Schuljahres 2023/2024 arbeitet er als Vizerektor, an der Seite von P. Karl Maurer LC, in der Apostolischen Schule. Seine Priesterweihte ist voraussichtlich am 27. April 2024 in Rom.