Der Kontakt zu den Bewohnern kam durch eine Gruppe von jungen Leuten zustande, die bereits im Juli letzten Jahres als Helfer nach den Überschwemmungen im Ahrtal waren. An diesen Begegnungen und den daraus entstandenen Freundschaften knüpften die Kartage an. Die Gruppe hatte sich in verschiedene Teams eingeteilt: ein Musik- und Liturgieteam, ein Team für Hausbesuche (Gespräche, Haussegnungen und Hilfsarbeiten), ein Kinderbetreuungsteam und ein Essensteam, das die Mahlzeiten für alle im Versorgungs-Zelt von Altenburg vorbereitete. Dieses Zelt diente auch als Ort der Begegnung für die Dorfbewohner.
Untergebracht in Bad Münstereifel, fuhren sie von dort aus jeden Tag nach Altenburg, Kreuzberg und Altenahr. Organisiert waren die Kartage von Damian Gatzweiler, Antonia Hornstein, Sarah Briemle, Ignacio Rubio LC und P. Sylvester Heereman LC.
So wie ich euch geliebt habe
P. Ignacio startete mit einem Impuls zu „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ in den Gründonnerstag. „Nicht unsere Liebe soll der Maßstab für die Selbst- und Nächstenliebe sein, sondern die Liebe Jesu zu den Menschen“, gab er den jungen Leuten mit auf den Weg. Nach einem kurzen Briefing gab es einen ruhigen Start, da die meisten Bewohner des Ahrtals erst mit Karfreitag vor Ort waren. Das Team für die Hausbesuche begann bei Ruth in Kreuzberg, bei ihr am Grundstück war ein Container vorbereitet und diente als Treffpunkt für die Bewohner von Kreuzberg. „Hier wurde bereits der Fokus der Tage deutlich: Es ging nicht darum möglichst schnell möglichst viel zu machen, sondern um ein offenes Ohr, einen gemeinsamen Kaffee oder auch eine gemeinsame Zigarette. Die Arbeit fand uns von allein – und so räumten wir am ersten Tag einen Dachboden voller Kartons auf, gestalten einen Osterbrunnen und halfen im Garten“, erzählte Theresia Häusl.
Die Gründonnerstagsliturgie feierten alle gemeinsam in der Kirche in Kreuzberg, musikalisch gestaltet von zwei Klarinettisten eines Symphonieorchesters und Marguerite aus der Helfergruppe am Cello. Im Anschluss ging es mit dem Gethsemane Gang nach St. Maternus in Altenburg. Der Weg führte an der Ahr entlang, mitten durch das zerstörte Flussufer, an dem wieder die ersten Bäume und Büsche blühten. Nach der Liturgie trafen sich alle zum Abend des Lichts (Nightfever) in der Kirche. „Der Abend des Lichts war die erste Veranstaltung in der Kirche seit der Flut am 14. Juli 2021. Besonders bewegend war es für die Dorfbewohner, denn die Kirchenglocken läuteten zum ersten Mal mit Hilfe eines Notstromaggregates wieder“, schilderte Theresia.
Sehnsucht nach Begegnung
Am Karfreitag kam das Team Kinderbetreuung zum Zug, da am Wochenende mehr Familien mit Kindern in das Tal kamen, um an ihren Häusern weiterzuarbeiten. Für das Team Hausbesuche standen wieder Besuche und Hilfsarbeiten an: „Die Bedürfnisse konnten unterschiedlicher nicht sein: Lange Gespräche und Hausführungen, Aufräumarbeiten in einem Haus, die Gestaltung eines kleinen Gedenkens am Grab einer kürzlich verstorbenen Freundin, der Aufbau von Gartenmöbeln auf der Terrasse“, zählte Theresia auf. „Es zeigte sich erneut, dass bei den Menschen eine Sehnsucht nach Begegnung vorhanden ist. Nach dem Gefühl, nicht vergessen zu sein. Nach Ablenkung aus einer 24/7-Woche, in der kaum Zeit und Kraft für die kleinen und schönen Dinge bleibt. Nach Beistand in der Traurigkeit und Verzweiflung. Aber auch nach dem Teilen der Fortschritte am eigenen Haus, der schönen kleinen Dinge, der neu entstandenen Freundschaften.“
Am späteren Nachmittag fanden sich alle zum gemeinsam den Kreuzweg, den die Teilnehmer der Kartage selbst gestalteten, ein. Anschließend feierten sie die Passion in St. Maternus in Altenburg. Nachdem Abendessen gab es die Möglichkeit, an einem gemeinsamen Kinoabend mit anschließendem Austausch teilzunehmen.
Die Schönheit des Tals – trotz Zerstörung
Auch am Karsamstag waren die Teams bei der Arbeit, Hausbesuche, Hilfe an allen Ecken, Kinderbetreuung füllten den Vormittag aus. Nach dem Mittagessen machten sich alle auf zum „Barmherzigen Jesus“ zu wandern. Martin aus Altenahr führte über verschlungene Wege hoch hinauf zu einem wunderschönen Blick über das Ahrtal. Von oben lässt sich die Schönheit des Tals erkennen aber auch das Ausmaß der Zerstörung erahnen. Bei der Statue des „Barmherzigen Jesus“ angelangt, beteten und sangen die Teilnehmer gemeinsam für das Ahrtal.
Am Abend trafen sich Teilnehmer und Bewohner zu einem geselligen Osterfeuer mit geistlichem Impuls, Musik und Grillen bei der Burg Kreuzberg. Die Gäste freuten sich über das Beisammensein und die weitere Möglichkeit des Austausches. Der Impuls mit anschließendem Lobpreis schaffte es die Brücke zwischen der Geselligkeit und dem Ostergeheimnis zu schlagen.
Das Leben geht weiter!
Der Ostersonntag begann mit dem Hähne krähen, denn um sechs Uhr in der Früh feierten alle gemeinsam die Osternacht. „Es ist wie es ist und das Leben geht weiter“, begann P. Sylvester seine Predigt. Diese beiden Sätze hatten er und die anderen Helfer oft während der vorausgegangen Tage von den Flutbetroffenen gehörte. Er fragte danach, was diese Sätze bedeuten – je nach dem, ob man den Glauben an den Auferstandenen mitdenkt oder nicht. Ohne Christus wäre „es ist wie es ist“, reine Resignation. Mit Christus ist es ein Satz voller Hoffnung. Und erst recht der Satz: „das Leben geht weiter – nämlich ewig und in Fülle, trotz aller Not und Last, die es zu tragen gilt“.
Nach einem gemeinsamen Osterfrühstück und der Ostersonntagsmesse fanden die Kartage ein Ende.
Gott offenbart sein Wirken
Damian: „Für mich war die stärkste Erfahrung die Gruppe hier. Jeder hat sich von ganzem Herzen eingebracht. Es gab sehr viele schöne Fügungen in der Vorbereitung und auch in den Kartagen. Es gab einige Momente, wo ich mir dachte, dass nicht wir das meiste tun, sondern Gott durch uns wirkt. Das war die stärkste Erfahrung.“
Antonia H.: „Was mich an diesen Tagen am meisten berührt hat ist, dass Gott nicht aufgehört hat sein Wirken zu offenbaren und wie er eingegriffen hat. In den verschiedensten Situationen ist es uns ins Gesicht gesprungen, dass Gott sein Wirken gezeigt hat. Das hat sich auch in den Gesprächen mit den Menschen gezeigt.“
Johannes: „Ich war vor 8 Monaten schon einmal da und fand es erschüttert, wie es hier immer noch aussieht. Wie wenig passiert ist. Und trotzdem ziehen die Leute aus den kleinen Dingen eine wahnsinnige Kraft.“
Maria: „Ich nehme mir mit, dass man aus den kleinen Dingen Kraft ziehen kann. Dass das kleine Menschliche eigentlich das Große ist. Manchmal denken wir, dass das Gute im Großen liegt. Aber ich glaube viele Menschen hier haben es gelernt, dass so viel Freude und Trost in den kleinen Dingen liegt.“
Antonia: „Ich nehme mir den Spruch mit „Es ist wie es ist und das Leben geht weiter“ – und dabei ganz entschieden hoffnungsvoll und froh zu bleiben.“
Teresa: „Der Kreuzweg hat mich besonders berührt. Der Weg zur Kapelle besteht teilweise noch aus Schotter von Fliesen und Steinen von den Hausmauern. Und beim Kreuzweg ist mir erst richtig bewusst geworden, worauf wir eigentlich gehen.“
Julia: „Die absolute Herzlichkeit der Menschen hat mich beeindruckt. Obwohl alles in Schutt lag, haben die Menschen den Moment wertschätzen können.“