Vom 10. bis 13. Februar fand das zweite Jahres-Plenumstreffen (spanisch „Plenaria“) seit Bestehen der Regnum-Christi-Föderation 2019 im Territorium West- und Mitteleuropa statt. Frauen und Männer, Priester der Legionäre Christi, Gottgeweihte und Laien im Regnum Christi waren anteilig vertreten, arbeiteten, berieten und beteten zusammen im
ApostelHaus in Alzgern.
Das Geheimnis (er-)leben
Das Thema des Plenumstreffens lehnte sich direkt an
Ziel und Auftrag des Regnum Christi an: Lebe und vergegenwärtige das Geheimnis Christi, damit sein Reich komme (vgl.
Statuten, Nr. 7, 8).
Das Regnum Christi möchte folgende Geheimnisse des Lebens Christi konkret vergegenwärtigen: Er geht auf die Menschen zu; Er offenbart ihnen seine Liebe; Er sammelt sie; Er befähigt sie als Apostel und Menschen mit christlichem Leadership; Er sendet und begleitet sie, damit sie mitarbeiten, um die Menschen und die Gesellschaft zu evangelisieren.
Um diesen Auftrag in Kirche und Welt nachkommen zu können, bedarf es in jedem einzelnen Mitglied des Regnum Christi aber einer wichtigen Voraussetzung: Das Reich Christi in den Herzen der Menschen und in der Gesellschaft gegenwärtig zu machen, kann nur als Frucht einer persönlichen und verwandelnden Begegnung mit Christus erreicht werden, der sein Geheimnis in uns und durch uns gegenwärtig macht. Das „Geheimnis Christi“ beginnt und ist also in jedem von uns gegenwärtig, gleichzeitig übersteigt es den Einzelnen bei Weitem.
Das Plenumstreffen diente dazu, dieses Grundverständnis des Charismas des Regnum Christi gemeinsam zu vertiefen und es in gelebter Gemeinschaft persönlich zu erfahren. Die verschiedenen thematischen Impulse verstanden sich selbst wiederum weniger als Vorträge oder Theorien, sondern als Teilen und Austausch persönlicher Erfahrungen mit diesem Geheimnis Christi.
Christus in der Mitte
Die gemeinsamen Tage begannen am Donnerstagabend mit einer eucharistischen Stunde. Während ihrer Evangeliumsbetrachtung ging Mariana Ibañez (Territorialdirektorin der gottgeweihten Frauen) u.a. auf die Worte von Papst Franziskus ein, der während der jüngsten Generalaudienz in Rom von Teenagern der
Jugendorganisation des Regnum Christi, dem ECYD, lautstark gegrüßt worden war. Daraufhin hatte er die Jugendlichen daran erinnert,
dass Christus zunächst sie selbst im Herzen verändern müsse, bevor sie hinausgehen könnten, um die Welt zum Besseren zu verändern.
Wie ein Samenkorn
Im Gleichnis vom Sämann (Mt 13,1-9) spricht Jesus davon, wie die Aussaat auf sehr verschiedene Böden fällt. In ihrem Eingangsimpuls sprach Viviana Limón (gottgeweihte Frau) davon, was es heißt, das Samenkorn des Glaubens wachsen zu lassen: Dieses Samenkorn wächst, ohne dass wir wissen wie; es wächst auf verschiedenen Böden und findet unterschiedliche Ausprägungen; der Mensch kann es nicht kontrollieren; Gott lässt es wachsen, wo, wann und wie immer er will. „Vertrauen wir wirklich auf die innere Kraft des Samenkorns des Glaubens“, fragte sie die Teilnehmer des Plenumstreffens, „und an die Fruchtbarkeit des Bodens?“
Anschließend zeigte Viviana einige „Boden-Eigenschaften“ auf, die es bei der Evangelisierung zu beachten gilt: Der Glaube trifft auf die Geschichte eines Landes, seine Kultur, die Bedürfnisse und Herausforderungen der Gesellschaft, die Geschichte des Regnum Christi an diesem Ort, die Bedürfnisse der Mitglieder und ihre Charismen, Begabungen und Talente. Die Pflanze des Glaubens bringt unterschiedliche Früchte hervor und bewahrt doch aus dem Kern ihre Identität. Ihre Schlussfolgerung: Verschiedenheit in der Einheit in Christus seien im Sinne der Evangelisierung ein Wert und keine Gefahr.
Auf Mission
„Ich bin immer eine Mission; du bist immer eine Mission; jede Getaufte und jeder Getaufte ist eine Mission. Wer liebt, setzt sich in Bewegung, es treibt ihn von sich selbst hinaus, er wird angezogen und zieht an, er schenkt sich dem anderen und knüpft Beziehungen, die Leben spenden“, sagt Papst Franziskus (
Weltmissionssonntag, 20. Oktober 2019). Auf Mission sein, sei demnach keine Flucht, schon gar nicht dürfe es eine Flucht weg von sich selbst sein, erklärte Viviana, sondern setze ein Inneres voraus, ein Bei-sich-sein. Zunächst gelte es demnach, sich dem Geheimnis Christi im eigenen Herzen zu nähern (vgl. Eph 3,4-5), so wie Mose sich Gott im brennenden und doch nicht verbrennenden Dornbusch voller Ehrfurcht näherte. Aus der Begegnung mit Gott heraus erkannte er letztendlich wer er ist, gelangte er zum Kern seiner Identität.
Kein Charisma ohne Zeugen
„Ohne persönliches Zeugnis ist jedes Charisma tot.“ So pointiert brachte Viviana die Verbindung zwischen dem Charisma des Regnum Christi und dem Leben der Mitglieder des Regnum Christi auf den Punkt. Zeuge eines Charismas ist wiederum jener, der die Geheimnisse des Lebens Christi in sich verlebendigt – „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Um die eigene Sendung zu verstehen gilt es, zunächst die Sendung Christi zu betrachten. Praktisch bedeute das auch, dass weder apostolischer Aktionismus, noch der Versuch, das Charisma des Regnum Christi kontrollieren bzw. in Formeln festschreiben zu wollen, das Geheimnis und die Sendung Christi in seiner Tiefe verlebendigen würden.
Leben und Sendung Christi sind ein tatsächliches und geschichtliches Ereignis, aber nicht nur das, wir selbst nehmen im Heute daran teil, davon sprach im Anschluss P. Sylvester Heereman LC in seinem Impuls „Das Geheimnis in mir und durch mich“. „Christus will in uns leben, was er gelebt hat“, unterstrich er mit Verweis auf den Katechismus der Katholischen Kirche:
„Während seines Erdenlebens kündigte Jesus durch sein Lehren das Pascha-Mysterium an und nahm es in seinen Taten vorweg. Als dann seine Stunde gekommen war [Vgl. Joh 13,1;17,1], durchlebte er das einzige Ereignis der Geschichte, das nicht vergeht: Jesus stirbt ‚ein für allemal‘ (Röm 6,10; Hebr 7,27; 9,12), wird begraben, ersteht von den Toten und sitzt zur Rechten des Vaters. Dieses tatsächliche Ereignis, welches sich in unserer Geschichte ereignet hat, ist ganz und gar einmalig: Alle anderen Ereignisse geschehen einmal, dann gehen sie vorüber, versinken in der Vergangenheit. Das Pascha-Mysterium Christi hingegen kann nicht in der Vergangenheit bleiben, denn durch seinen Tod hat er den Tod besiegt. Alles, was Christus ist, und alles, was er für alle Menschen getan und gelitten hat, nimmt an der Ewigkeit Gottes teil, steht somit über allen Zeiten und wird ihnen gegenwärtig. Das Ereignis des Kreuzes und der Auferstehung ist etwas Bleibendes und zieht alles zum Leben hin.“ (Nr. 1085).
Kriterien der Unterscheidung
Einen weiteren umfassenden thematischen Impuls steuerte Gea Taís von den gottgeweihten Frauen via Online-Konferenz bei. Sie sprach auf Englisch über „The parables of the kingdom as a criterion for spiritual and apostolic discernment / in my life and mission” („Die Gleichnisse des Reiches Gottes als Kriterium für die geistliche und apostolische Unterscheidung / in meinem Leben und meiner Mission“;
eine spanische Version des Vortrags gibt es auf YouTube).
Im Matthäus-Evangelium finden sich in den Kapiteln 13 bis 25 insgesamt zehn Gleichnisse über das Reich Gottes, die Zahl 10 wiese symbolisch auf Vollkommenheit hin, das „Herz“ dieser Gleichnisse sei die Bergpredigt (Mt 5,1–7,29), erklärte Gea. Durch die Gleichnisse wolle Jesus nicht nur etwas erklären, sondern dass seine Zuhörer ihr Leben verändern. Gea Taís sprach ausführlich über folgende Schriftstellen:
– Das Gleichnis vom Sämann (Mt 13,1-9)
– Sinngebung für die Gleichnisrede (Mt 13,10-17)
– Das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen (Mt 13,24-30)
– Das Gleichnis vom Senfkorn (Mt 13,31-32)
– Das Gleichnis vom Sauerteig (Mt 13,33)
– Die Gleichnisse vom Schatz und von der Perle (13,44-46)
– Das Gleichnis vom Fischnetz (13,47-49)
Der Rede Jesu in den zehn Gleichnissen vom Reich Gottes sei in der Beziehung zwischen ihm und seinen Zuhörern jedoch etwas Wichtiges vorausgegangen, betonte sie: Sie hätten im Vorfeld bereits einen Prozess der „Annahme“ Christi durchlaufen, wären dabei von Jesus unterwiesen worden und hätten zu seiner Botschaft „Ja“ gesagt, d.h. sich für Christus entschieden und zur Jüngerschaft. Mit anderen Worten: Wer nicht grundsätzlich dazu entschlossen sei, in der Beziehung mit Christus zu leben, dem blieben die Geheimnisse des Reiches Gottes am Ende verschlossen.
Jesus hätte dabei bewusst in Form von Gleichnissen gesprochen (Mt 13,10-17), denn die Geheimnisse des Reiches Gottes könnten nicht allein vom Verstand begriffen werden, sondern bedürften der Offenbarung Gottes. Neben dem direkten Verständnis der Gleichnisse gebe es also ein Eindringen in diese mit dem Herzen. „Das Herz dieses Volkes ist hart geworden“ (Mt 13,15), besage demnach, dass nur jene, deren Herz, d.h. alle Sinne und ganzes Sein und Wesen für Gott offen seien, wirklich die Geheimnisse Christi „sehen“ und „hören“ könnten. Alle Gleichnisse gingen schließlich praktisch und metaphorisch im Leben Jesu auf, fasste Tea zusammen, und fänden in Ihm ihre Erfüllung.
Kontemplativ und evangelisierend
Diese beiden Attribute fassen sehr prägnant zusammen, was und wie das Regnum Christi ist (vgl. Statuten Nr. 20).
In seinem Impuls gab P. Sylvester Heereman LC Einblicke, wie er als Priester, Legionär Christi und damit im Regnum Christi, danach lebt. „Kontemplativ sein, ist die Tür zum Reich Gottes“, sagte er, dabei handele es sich um die „wesentliche innere Einstellung“ des Regnum Christi. Zwischen beiden Attributen bestünde kein Widerspruch. Die kontemplative Art Jesu zeige die Art auf, wie er evangelisierend gewirkt hätte, so P. Sylvester. Von sich selbst sagte er, dass er Gott am meisten in der Barmherzigkeit erfahren hätte.
Anhand von fünf Betrachtungen beschrieb er konkret, wie er diese beiden Attribute in seinem eigenen Leben versucht praktisch umzusetzen:
– Das „Hier und Jetzt“ umarmen: Besonders zu Beginn des Gebetes, aber auch in Momenten des Widerwillens und in Bezug auf die eigene Situation; „Ja“ zum Moment sagen.
– Empfänger-Modus: Umsonst haben wir empfangen; wie Jesus bei der Fußwaschung; aus dem Leistungsmodus herauskommen; auch „leere“ Momente aushalten; Enttäuschung und Frustration nicht durch Konsum kompensieren (Musik, Essen, Videos); wer nicht empfangen kann, der kann letztlich auch nicht geben.
– Anbetung: In der Gegenwart Gottes sein; den Weg Gott anvertrauen; nicht ich muss immer etwas machen; Gott Gott sein lassen, das allein genügt.
– Mit Jesus zuhören: Einfach einmal zuhören; nicht gleich an die (mögliche) Antwort denken oder nach Lösungen suchen.
– Jesus in uns leben lassen.
Workshops, Küche, Pilgerweg
Als „letztes Ziel“ verfolgt das Regnum Christi gemäß seiner Statuten (vgl. Nr. 7) den Aufbau des Reiches Christi in den Herzen der Menschen und der Gesellschaft, durch die Heiligung jedes Einzelnen und das Apostolat. Dieses Ziel kann aber nur in Verbindung mit jenem Eindringen in das Geheimnis des Lebens Christi begriffen werden. „Reich Gottes“ ist deshalb nicht gleichbedeutend mit „Christentum“. Stattdessen geht es dem Regnum Christi um die „Spiritualität des Gottes Reiches“ (vgl. Nr. 13).
Was das konkret in der Welt von heute bedeutet, war während des Plenumstreffens Gegenstand von verschiedenen Workshops. Diese gingen u.a. der Frage nach, in welcher Weise die Welt schon selbst eine Manifestation des Reiches Gottes ist (vgl. KKK Nr. 2818: „Das Gebet des Herrn handelt hauptsächlich vom endgültigen Kommen des Reiches Gottes durch die Wiederkunft Christi [Vgl. Tit 2,13]. Dieses Verlangen lenkt die Kirche nicht von ihrer Sendung in dieser Welt ab, sondern verpflichtet sie dazu. Seit Pfingsten nämlich ist das Kommen des Reiches das Werk des Heiligen Geistes, der das Werk Christi ‚auf Erden weiterführt und alle Heiligung vollendet‘ (MR, Viertes Hochgebet).“)
In Kleingruppen analysierten und besprachen die Teilnehmer deshalb auch aktuelle Themen der Gegenwartskultur und suchten Antworten auf Fragen, wie z.B.: Wie verändert das Reich Gottes in mir die Welt?
Ein weiterer Workshop befasste sich mit der von Papst Franziskus im vergangenen Jahr ausgerufenen „Weltsynode 2023“, an der sich das Regnum Christi weltweit durch seine Mitglieder in den verschiedenen Ländern und Diözesen beteiligt. Die Struktur und Arbeitsweise des Regnum Christi als Föderation folgt seit Dezember 2018 den Grundsätzen der kirchlichen Synodalität, wie sie der Heilige Vater versteht:
„Eine Synode abzuhalten bedeutet, auf demselben Weg zu gehen, gemeinsam unterwegs zu sein. Schauen wir auf Jesus, der auf der Straße zuerst dem reichen Mann begegnet, sich dann seine Fragen anhört und ihm schließlich hilft zu unterscheiden, was er tun muss, um das ewige Leben zu gewinnen“ (
hl. Messe zur Eröffnung der Bischofssynode, 10. Oktober 2021). Bereits 2015 hatte Papst Franziskus erklärt: „
[Der] Weg der Synodalität ist das, was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet“ (Ansprache zur 50-Jahr-Feier der Errichtung der Bischofssynode, 17. Oktober 2015).
Während der gut zwei gemeinsamen Tage im ApostelHaus in Alzgern verband die Teilnehmer auch „synodal“ das Anpacken in der Küche, das gemeinsame Vorbereiten des Essens, Tische decken und Geschirr spülen – Gemeinschaft nicht nur in Gedanken und im Gebet, sondern praktisch und tatkräftig. Gemeinsam auf dem Weg machten sich alle schließlich am Samstag mit und zu Maria, der „ersten Jüngerin“ (Papst Franziskus) bei einem Pilgergang nach Altötting.
Funktion und Bedeutung des Plenums
Gemäß der
neuen Statuten der Regnum-Christi-Föderation (seit 2019) steht dem internationalen oder territorialen Leitungskollegium das jeweilige Plenum (d.h. eine Gruppe von dafür ernannten und gewählten Mitgliedern, die die Funktion von Beisitzern einnehmen) zur Seite. Dieses hilft dem Leitungskollegium bei der Ausübung seiner Leitungsaufgaben. (vgl. Nr. 56 § 3.). Das Plenum bietet dem Territorialen Leitungskollegium seine Unterstützung an und kann seine Meinung und Sichtweise einbringen (vgl. Generalreglement der Regnum-Christi-Föderation, Nr. 34 §§ 1-3).
Am Plenum (spanisch Plenaria) nehmen mindestens einmal im Jahr im Territorium alle Territorialräte der föderierten Institutionen teil (Legionäre Christi und Gottgeweihte Frauen im Regnum Christi), ferner das Laien-Mitglied des Regnum Christi im Territorialen Leitungskollegium und ein Laien-Mitglied aus jedem Land im Territorium, alle mit beratender Stimme. Noch hinzu geladen werden könnten z.B. der Territorialsekretär, Territorialverwalter und Leiter Kommunikation (vgl. Territorialreglement der Regnum-Christi-Föderation für West- und Mitteleuropa, Nr. 31, 33).
(Karl-Olaf Bergmann)