Donnerstag,
12. November 2015
Ein geheimnisvolles Reich
Donnerstag der zweiunddreißigsten Woche im Jahreskreis
Hl. Kunibert, Bischof
P. Martin Baranowski LC
Lk 17,20-25
In jener Zeit als Jesus von den Pharisäern gefragt wurde, wann das Reich Gottes komme,
antwortete er: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Zeichen erkennen könnte. Man kann
auch nicht sagen: Seht, hier ist es! oder: Dort ist es! Denn: Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter
euch. Er sagte zu den Jüngern: Es wird eine Zeit kommen, in der ihr euch danach sehnt, auch nur einen von
den Tagen des Menschensohnes zu erleben; aber ihr werdet ihn nicht erleben. Und wenn man zu euch sagt: Dort
ist er! Hier ist er! so geht nicht hin, und lauft nicht hinterher! Denn wie der Blitz von einem Ende des
Himmels bis zum andern leuchtet, so wird der Menschensohn an seinem Tag erscheinen. Vorher aber muss er
vieles erleiden und von dieser Generation verworfen werden.
Einführendes Gebet: Herr, wecke in meinem Herzen die Sehnsucht nach dir. Hilf mir, dich in diesem Gebet zu suchen, auf deine Stimme zu hören, nach deinem Willen zu fragen, mich nach dir auszurichten. Reiß mich heraus aus der Stumpfheit des Alltags und lass mich die Besonderheit und den Wert eines jeden Moments erkennen, der aus Liebe zu dir gelebt wird.
Bitte: Dein Reich komme, Herr, in unsere von Krieg, Terror, Unfriede und Ungerechtigkeit zerrüttete Welt. Dein Reich komme, Herr, in meine Familie, meinen Freundeskreis, meine Arbeitswelt. Dein Reich komme, Herr, in mein Herz, damit ich denken, reden und handeln kann, wie es dir gefällt.
1. Wann kommt Gottes Reich? Die Frage der Pharisäer nach dem Reich Gottes ist nachvollziehbar: Wann zeigt sich Gott endlich in seiner Macht und greift durch? Wann siegen Ehrlichkeit, Treue und Bescheidenheit über Betrug, Abzocken und Raffgier? Wann wird für alle verständlich, dass der Glaube an Gott wahr und richtig ist? Damals wie heute erscheint die Stimme Gottes schwach und bedeutungslos gegenüber den Mächten, Zwängen und Forderungen der Zeit. Rein menschlich gesehen scheinen Glaube und Kirche oft keine große Zukunft zu haben. Warum zeigt sich Gott nicht offensichtlicher? Warum wirkt er nicht Zeichen und Wunder, die alle überzeugen? Warum erfahren wir oft im eigenen Leben nicht deutlicher die Macht Gottes und die Wirkung des Gebetes?
2. Wo ist das Reich Gottes? Die Antwort Jesu enthält zwei Teile: Einerseits lässt sich das Reich Gottes nicht an äußeren Zeichen erkennen, an denen man es festmachen könnte. Andererseits braucht man dieses Reich gar nicht mehr zu suchen, weil es schon mitten unter uns ist. Auf den ersten Blick scheinen sich die beiden Aussagen zu widersprechen. Erst eine tiefere Betrachtung zeigt, dass es beim Reich Gottes offensichtlich nicht um irgendeine ideale Welt oder Organisation gehen kann, sondern dass dieses Reich letztlich in der Person Jesu verwirklicht ist. In Jesus ist und bleibt das Reich Gottes gegenwärtig und mitten unter uns. Dies zeigt sich gerade in der Gegenwart Jesu in der Eucharistie. Auf wirkliche, wenn auch oft auf geheimnisvolle Weise, ist dieses Reich dann auch in der Kirche, dem mystischen Leib Christi, in der Welt gegenwärtig und wird durch sie aufgebaut. Das ist jedoch kein menschliches Unternehmen, sondern kann nur dann gelingen, wenn die Feier und Anbetung der Eucharistie Quelle, Höhe- und Ausgangspunkt des persönlichen und kirchlichen Handelns ist.
3. Wie kommt das Reich Gottes? Der Aufbau des Reiches Gottes in der Welt ist kein militärischer Feldzug, kein Triumphmarsch durch die Geschichte und auch nicht die Errichtung eines goldenen Zeitalters oder einer heilen Welt. Im Gegenteil: Jesus kündigt für sich selbst und seine Jünger Leiden und Ablehnung an. Bausteine dieses Reiches sind demnach nicht Anerkennung und Erfolg, sondern die Liebe, die sich gerade in den Herausforderungen, Schwierigkeiten und Anfechtungen des Lebens als wahr und echt erweist. Baumeister dieses Reiches sind die Heiligen, in denen durch die Geschichte hindurch die selbstlose Liebe Christi aufscheint: Pater Maximilian Kolbe in der Hölle von Auschwitz, Mutter Teresa in den Slums von Kalkutta, Damian Deveuster im Elend der Leprakranken. Jeder Getaufte ist berufen, gemäß seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten am Aufbau des Reiches Christi mitzuwirken ‐ gerade auch in den herausfordernden und schweren Momenten.
Gespräch mit Christus: Herr, schenke mir eine große Sehnsucht nach deinem Reich der Liebe. Gib mir Kraft und Mut, an der Errichtung deines Reiches mitzuwirken, gerade dort, wohin du mich heute stellst, mit den Personen und Situationen, die heute auf mich zukommen. Dein Reich komme!
Möglicher Vorsatz: Am heutigen Donnerstag möchte ich eine Kirche besuchen, um Jesus in der Eucharistie anzubeten. (Siehe hierzu auch einige Gedanken von Papst Franziskus, Enzyklika Laudato Si, Nr. 236).